Atlan 09 - Illochim 03 - Der Traum des Navigators
schmächtiger Körper schutzsuchend an seine Seite drängte. Ja, jeder einzelne Moment zählte. Sein Vater hatte um jede weitere Sekunde gerungen, die er im Kreis jener Menschen verbringen durfte, die ihm etwas bedeuteten, und Adrian hatte nicht verstanden, woher er die Kraft dafür nahm. Nun, fast zwei Jahrzehnte später, wurde ihm bewusst, was er damals übersehen hatte, und es tat schrecklich weh, dass er es seinem Vater nicht mehr sagen konnte.
»Er hat es gewusst, Ad.«
Elvias Stimme war kaum zu verstehen, doch er wusste, was sie meinte.
Als die erste Gruppe der Überlebenden auf dem Plateau ankam, standen Adrian Deubtar und Elvia daHuck noch immer eng umschlungen auf der Stelle.
Kapitel 13
15. Mai 2867
Adrian Deubtar
Vier Tage später überschritt die Zahl der Opfer die Dreißig und die Stimmung sank auf einen nie zuvor da gewesenen Tiefpunkt. Von den übrig gebliebenen 152 Menschen waren 96 infiziert. Thuram Rydberg lag im Sterben und würde den nächsten Tag vermutlich nicht mehr erleben. Hektor Robertson ging es nicht wesentlich besser. Er konnte sich kaum noch auf den Beinen halten und Adrian hatte ihm schließlich befehlen müssen, seinen medizinischen Notdienst endgültig einzustellen. Ohne Medikamente und ähnliche Hilfsmittel konnte er sowieso nicht viel ausrichten.
Immerhin bot das Tal eine Reihe lange vermisster Annehmlichkeiten. Sie hatten ihr Lager in der Nähe des Sees aufgeschlagen und die, die noch einigermaßen bei Kräften waren, hatten sofort damit begonnen, Bäume zu fällen und halbwegs trockene Behausungen zu bauen. Bei den von Adrian schon vom Plateau aus beobachteten Tieren handelte es sich um plumpe Vögel, die leicht zu fangen waren. Die Gestrandeten sammelten auch ihre Eier ein. Wurzeln, Beeren und Kräuter, die die Erkundungstrupps im Wald fanden, erweiterten den Speiseplan zusätzlich.
Der See hielt außerdem eine reichhaltige Auswahl an Fischen bereit, die sich in den ersten Tagen sehr einfach fangen ließen. Menschen waren den hiesigen Lebensformen unbekannt und somit noch nicht als Feindbild gespeichert. Adrian ließ deshalb so viel Nahrung wie möglich heranschleppen und Vorräte für schlechtere Zeiten anlegen.
Trotz all dieser positiven Entwicklungen neigte sich die Zeit der Überlebenden langsam ihrem Ende entgegen. Wenn das Tempo von Ausbreitung und Verlauf der tinae robertsonensis nicht bald deutlich abnahm – und danach sah es keineswegs aus – würde in vier bis sechs Wochen niemand mehr am Leben sein.
Es war am Nachmittag ihres 54. Tages auf Interlude, als Adrian und Lukas von einer längeren Exkursion aus den nahen Waldgebieten ins Lager zurückkehrten. Der Fremdrassenpsychologe schnaufte wie eine antike Dampflokomotive. Die körperliche Anstrengung machte ihm offensichtlich zu schaffen.
»Adrian!«, rief Monique Morizur schon von weitem und kam ihnen entgegen gerannt. Adrian Deubtar sah ihr verwundert entgegen. Gestern war die Chefwissenschaftlerin kaum noch in der Lage gewesen zu gehen. Nun machte sie für eine seit fünf Tagen Infizierte einen erstaunlich vitalen Eindruck.
»Beruhige dich, Monique«, empfing der Kommandant die Frau, als sie keuchend vor ihnen stehen blieb. »Was ist denn passiert?«
»Etwas wunderbares«, schnappte die Chefwissenschaftlerin. »Seht euch das an.«
Mit diesen Worten zog sie das Oberteil ihrer Kombination über den Kopf und riss die Arme in die Luft. In ihren graubraunen Augen standen Tränen.
»Das ist …«, sagte Adrian und trat einen Schritt näher heran. »Willst du damit sagen, dass …«
»Ja«, ließ ihn Monique nicht ausreden. »Die Entzündung ist so gut wie abgeklungen. Gestern kam die Ausbreitung zum Stillstand. Seit heute morgen sind fast sämtliche Spuren des Pilzes verschwunden.«
»Und wie fühlst du dich?«
»Großartig! Ich könnte Bäume ausreißen. Ich habe … oh, Adrian!«
Mit einem Schluchzen fiel sie ihm in die Arme. Sie zitterte am ganzen Körper.
»Okay«, sagte der Kommandant, als sie sich wieder einigermaßen gefasst hatte. »Hast du irgend eine Idee, was diese Heilung ausgelöst haben könnte? Ich muss dir nicht sagen, wie wichtig es ist, dass …«
»Was glaubst du, worüber ich seit gestern Nacht unaufhörlich nachgedacht habe?«, unterbrach ihn Monique erneut. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass es nur Lukas’ Zigaretten sein können.«
Im ersten Moment glaubte der Kommandant, dass sich die Frau einen schlechten Scherz erlaubte, doch dann schaute er in ihr ernstes
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