Atlan 13 - Monolith 03 - Echo der Verlorenen
unmöglich. Das Unglücklichsein haftete an ihr wie eingewachsenes Silbermetall. Die Zukunft lag wie ein langer Korridor voller Folter vor ihr. Aber sie wollte nicht sterben. Vielleicht gab es einen Ausweg.
Sie musste mit Santjun darüber reden.
Wenn er wieder aus dem Medikamentenrausch erwacht war …
Santjuns Wissen und seine Mutmaßungen über eine hoffnungsvolle (hoffnungslose?) junge Frau: Sie war auf Thanaton als Tochter eines der ersten und höchstrangigen Silberherren, eines Mitglieds der »Bruderschaft« und dessen bildschöner Favoritin, im Jahr 3063 geboren worden. Ihre Mutter, eine Lemurer-Nachfahrin, hatte sie bis zur Studienreife aufgezogen. Danach hatte man sie in ihre »neue Heimat« gebrachte, wo sie erfolgreich Medizin studiert hatte und unter die Kontrolle der »Bruderschaft« geraten war.
Sie trug Silbermetall; nur wenige kleine Schmuckstücke. Der unvoreingenommene Betrachter sah, wenn er sie musterte, eine etwa 40-Jährige, 180 Zentimeter große junge Frau, die die Schönheit ihrer Mutter geerbt hatte, ein wenig versonnen und entrückt durchs Dasein wandelte und um sich das Gefühl verbreitete, als zweifle sie am Sinn des flüchtigen Lebens. Auffallende Kleidung und sorgfältiges Make-up bedeuteten ihr nichts; sie hatte beides nicht nötig. Sie war schön. Ihre Seele balancierte im Borderline-Bereich. Als hochtalentierte Medizinerin war sie ohne Tadel geblieben, bis sie mit 27 Jahren Onjar Marik kennengelernt hatte und bald darauf Malcher vorgestellt worden war, Malcher, dem »Unsterblichen«. Sie war zunächst von beiden fasziniert gewesen.
Drei Jahre lang waren Marik und sie ein Paar gewesen. Die Beziehung war wegen »persönlicher Inkompatibilität« zerbrochen; sie hatten sich geliebt und geschlagen, offensichtlich und ständig. Während dieser Zeit hatte sie lernen müssen, scheinbar ohne Skrupel die Wahrheit zu verdrehen und selbst Menschen zu täuschen, die sie seit langem kannten und schätzten.
Jetzt hasste sie Marik, das hielt Santjun für bewiesen. Aber stets verbreitete sie das Gefühl, als zweifle sie besonders an ihrer Herkunft, Identität und ihrer Rolle in der Gesellschaft. Ihr Ziel schien klar, und sie verfolgte es mit allen Mitteln: in der Organisation aufzusteigen, Zugang zu »Silbermetall« und das Gefallen Malchers zu erringen. Ihre helle Stimme, ihre scheinbare Freundlichkeit waren nur Werkzeuge auf einem beschwerlichen Weg, an dessen Ende auch ein schmähliches, bösartiges Ende für Onjar Marik stand. Sie schien ein isoliertes, einsames Leben unter restriktiven Umständen geführt zu haben. Sie würde, nach außen ungerührt, innerlich jubeln, wenn der Kommandant vernichtet werden würde.
Trotz allem: Thalia war eine schöne, junge Frau. Normalerweise hätten Holos von ihr in jedem Spind der TRAUM leuchten müssen.
Augenblicklich konzentrierte sie sich auf die Auswirkungen des Monolithen und die »Betreuung« Santjuns. Sobald Marik auftauchte, würde die Folter neu beginnen, und die Medikerin würde danach Santjuns Zustand wieder stabilisieren, um aus Dankbarkeit Daten und Informationen zu erhalten. Nichts anderes erwartete er von ihr. In ihrem Inneren schien jede positive Regung abgestorben zu sein. Der Bezeichnung »Soziopathin«, sagte sich Santjun, wurde sie voll gerecht.
An diesem Punkt von Santjuns Überlegungen betrat der Kommandant, einer der Männer, von denen Thalia unwiderruflich geschädigt worden war, die Medostation. Und mit Marik kamen die Schmerzen.
Ende der leidvollen Betrachtung Santjuns.
Nach einer gefühlten Ewigkeit des schmerzhaften Terrors – sie dauerte reichlich 45 Minuten – setzte Thalia mit wenigen Griffen wieder ihre schmerzstillenden und aufbauenden Mittel ein. Als Dank und aus Erleichterung bestätigte Santjun, dass die Anlage beziehungsweise der Monolith durchaus ein unkontrolliertes Waffensystem darstellen könne; sicherlich war es das Ziel Malchers, den Monolithen unter seine Kontrolle zu bringen. Wenn Thalia die Wirkungsweise des Monolithen zu verstehen lernte, würde sie Malcher gefallen und auf dem Weg sein, die Unsterblichkeit zu erlangen. Ein Nebenprodukt ihrer kommenden Stärke war die Chance, Onjar Marik qualvoll sterben zu sehen.
Thalia sog jedes Wort Santjuns in sich auf und bewies ihre Dankbarkeit, indem sie ihn durch gezielte Medikation in Tiefschlaf versetzte.
Dass sie die Medostation verließ, merkte er nicht mehr.
Asberfahns Kriegszug
In unregelmäßigen Abständen, tief unter den
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