Atlan TH 0003 – Der Katzer
Gesichtsausdruck ernst. Er hob die Stimme. »Was France Ivory betrifft, so erkläre ich hiermit in aller Öffentlichkeit, dass sie von den Absichten ihres Vaters nichts wusste. Sie hat es erst von mir erfahren. Wenn also jemand wegen Mitwisserschaft angeklagt werden muss, bin ich es!«
Gavro Yaal wirkte wie versteinert. »Ich werde mich daran erinnern ...«, sagte er vieldeutig.
Joscan nickte. Jede Person an Bord wusste aus eigener Anschauung, was er für die Interessen aller Solgeborenen getan hatte, als Perry Rhodan noch das Kommando über die SOL führte. Niemandem würde es einfallen, Hand an ihn zu legen, weil einer seiner Freunde ihn über eine beabsichtigte strafbare Handlung informiert hatte. Seine Loyalität stand trotz aller Anfeindungen, denen er ausgesetzt war, außer Frage.
Als der Kybernetiker die Zentrale verließ, wusste er, dass sein Weg nicht umsonst gewesen war. Diesmal war es Gavro Yaal nicht gelungen, ihn mundtot zu machen.
»Ich bin froh, dass sie dich freigelassen haben. Ich stand knapp davor, eine Dummheit zu begehen.«
France beobachtete den Katzer, wie er lautlos zum Versorgungsautomaten ging. Das Tasten einer Bestellung, das Entgegennehmen des gefüllten Bechers und das Trinken eines Schlucks waren eine einzige, fließende Bewegung. Geschmeidig ließ er sich ihr gegenüber nieder.
»Was wolltest du tun? Mich befreien? «
Bjo nickte. »Ich habe mit dem Gedanken gespielt. Irgendwie war es mir unerträglich, dich in Gefangenschaft zu wissen.«
Sie lächelte offen. Einmal mehr wurde ihr deutlich, was dieser Mann alles für sie tun würde.
»Ich bin dir sehr dankbar«, sagte sie. »Aber es war besser, dass du abgewartet hast. Du hättest dich nur in Schwierigkeiten gebracht.«
Bjo hob die Schultern. »So schlimm wäre es nicht geworden. Meine Popularität an Bord ist ziemlich groß. Sie würden sich hüten, einen Telepathen anzugreifen, zumal sie nicht wissen können, ob sie irgendwann in eine Situation kommen, in der sie mich noch brauchen.«
Er sagte das ohne jede Spur von Überheblichkeit. Aus seinen katzenhaften Augen sah er sie an. Manchmal fürchtete sie sich vor diesen Augen, doch heute war das anders. Erstmals wurde ihr bewusst, dass sie ebenso ausdrucksfähig waren wie die jedes anderen Menschen, dass sie Wärme vermitteln konnten und Empfindungen widerspiegelten.
Sie gab seinen Blick zurück, lange und schweigend – und sie spürte, wie sie ein wohliger Schauer durchfuhr.
Sie kannten sich nun seit vier Monaten. Von Anfang an waren sie gut miteinander ausgekommen, hatten sich im Lauf der Zeit immer besser verstanden und viel gemeinsam unternommen. Noch nie war ihr jedoch so deutlich geworden, dass aus ihrer anfänglichen Freundschaft längst mehr geworden war. Es schien ihr wie eine Brücke, von beiden Seiten behutsam aufgebaut und Stück um Stück erweitert, deren Hälften aufeinander zustrebten, bis sie sich berührten und zu einer Einheit verschmolzen ...
»Ist dir eigentlich je in den Sinn gekommen, meine Gedanken zu lesen?« Die Frage kam so spontan, dass sie sich selbst darüber ärgerte. Hastig fügte sie hinzu: »Ich meine, normalerweise, wenn ich nicht wie gestern in Not bin ...«
Insgeheim erwartete sie eine Antwort, die seiner Empörung Ausdruck gab.
Bjo reagierte jedoch völlig anders. »Die Versuchung ist manchmal groß«, gab er zu. »Aber ich bin stark genug, ihr widerstehen zu können.«
France wusste, dass er die Wahrheit sagte, und auch das war für sie eine Bestätigung, wie gut sie ihn mittlerweile kannte, wie leicht es ihr fiel, sich in ihn hineinzuversetzen. Sie traute sich zu, es sofort zu merken, wenn er ihr etwas verheimlichte oder etwas zu vertuschen suchte.
Aber das hatte er nicht nötig. So ungeschickt und seltsam er sich in ihrer Gegenwart manchmal benahm – dieses Gespräch hatte ihr gezeigt, dass er eine gehörige Portion Selbstvertrauen besaß.
»Woran denkst du?«
Sie lachte hell. »Daran, dass du vermutlich nicht so dumme Fragen stellen würdest, wenn du meine Gedanken gelesen hättest.«
Er sah sie an, immer noch, unverwandt. Sein Blick wurde forschend. »Es würde womöglich viel zerstören ...«
Dies war ein Abtasten, schoss es ihr durch den Sinn, ein gegenseitiges, schüchternes Ergründen der Gefühle des anderen. Beide übten sie sich darin, aus Worten herauszulesen, wie weit die Zuneigung des Gegenübers wohl reichen mochte.
»Ja ...«
Wie sehr Bjo doch in der Lage war, alle ihre Sorgen zunichtezumachen, überlegte
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