Atlan TH 0003 – Der Katzer
Mädchen.« Joscan schüttelte den Kopf. »Bisher dachte ich auch, dass unsere Gefängnisse ausbruchsicher sind. Trotzdem ist es ihm gelungen. Er hat einen Wächter niedergeschlagen und entwaffnet. Ich habe es eben erfahren – von meinem speziellen Freund Gavro Yaal persönlich. Es war ihm eine innere Freude, mir das mitzuteilen.«
Bjo erhob sich ebenfalls. »Dieser Narr!«, flüsterte er. »Damit macht er alles nur noch schlimmer.«
»Das kannst du laut sagen«, stimmte Joscan zu. »In den Augen der meisten Leute wird das wie ein Schuldanerkenntnis aussehen. Gavro Yaal und seinen Anhängern kommt es sehr gelegen.«
»Was geschieht jetzt?«, fragte France. Ihre Stimme klang brüchig. »Was hat Vater vor?«
Joscan hob die Schultern. »Ich wünschte, ich wüsste es!«, erwiderte er ungehalten. »Ich habe keine Ahnung, was ein Mann anstellt, der offensichtlich den Verstand verloren hat und zudem im Besitz einer Strahlwaffe ist.«
»Bitte ...«, stieß France hervor und schluchzte. Ihr Gesicht verzerrte sich. »Rede nicht so von ihm ...«
Sie spürte die sanfte Berührung des Katzers um ihre Schultern.
»Er hat es nicht so gemeint«, verteidigte Bjo seinen Freund. »Er ist genauso aufgeregt wie wir.«
Für einen Moment schloss die Frau ihre Augen und atmete tief durch. Wie groß die Fähigkeit dieses sensiblen Mutanten doch war, beruhigend auf sie einzuwirken, dachte sie. Endlich war da jemand, der ihre Sorgen teilte. Sie gab dem Impuls nach. Langsam ließ sie den Kopf zur Seite sinken, bettete ihn an seine Schulter. Sie spürte Tränen, die ihr feucht die Wange hinabrannen. Wie von einem weichen, schützenden Mantel fühlte sie sich umhüllt, in den sie sich bedenkenlos hineinfallen lassen konnte.
Der Druck seines Armes verstärkte sich. Eine Hand strich ihr behutsam durchs Haar.
»Ich spüre ihn auf!«, versprach Bjo entschlossen. »Ich werde Perg finden und mich für ihn verwenden!«
»Den Teufel wirst du tun!«, fuhr Joscan Hellmut ihn an. »Das Einzige, was du damit erreichst, ist, dass sie dich auch verdächtigen werden.«
»Das ist mir egal«, gab Bjo heftig zurück. »Perg braucht Hilfe, und ich bin bereit, sie ihm zu geben.«
Sanft löste sich France aus der Umarmung. Abwechselnd sah sie den Katzer und die Projektion des Kybernetikers an. Beide machten sie ein verbissenes Gesicht: Joscan, weil er erkannt hatte, dass Pergs weiteres Schicksal mit keiner noch so dramatischen Aktion mehr zu beeinflussen war; und Bjo, weil er seine Idee in die Tat umsetzen wollte und überzeugt war, das Richtige zu tun.
Mit den Händen strich sie sich die Feuchtigkeit von den Wangen. Mutlos sah sie den Katzer an und machte eine Kopfbewegung zum Bildschirm hin.
»Josc hat recht«, murmelte sie. »Er hat recht!«
»Gut, dass wenigstens du es einsiehst«, sagte der Kybernetiker. Er wirkte immer noch wütend. »Wir können uns keine unüberlegten Aktionen leisten.«
Bjo seufzte und schüttelte verständnislos den Kopf.
Kurzerhand trennte er die Verbindung. Der Bildschirm erlosch.
»Hör zu, France«, wandte er sich an das Mädchen. »Wenn wir Perg schon nicht von dem Verdacht der Meuterei befreien können, so müssen wir wenigstens versuchen, Schlimmeres zu verhindern! Ich weiß nicht, was er sich dabei gedacht hat, als er aus dem Gefängnis ausgebrochen ist und einen Wächter entwaffnet hat. Wahrscheinlich hat irgendetwas in seinem Schädel kurzgeschlossen, und dein Vater ist ein Mann, der das ausführt, was er sich einmal vorgenommen hat. Welcher Plan auch in ihm herumspukt: Mit einem Strahler in der Hand wird sein Weg früher oder später in die Katastrophe führen! Wenn niemand mit ihm redet, der Verständnis für seine Situation hat, wird diese Sache böse enden. Wir müssen ihn dazu bringen, sich freiwillig zu stellen. Nur dann hat er eine Chance, das alles zu überleben und nicht irgendwann erschossen zu werden.«
Je länger er sprach, desto sicherer wurde France, dass seine Überlegungen nicht von der Hand zu weisen waren. Immer stärker setzte sich in ihr die Erkenntnis durch, dass Joscans Appell, nichts zu unternehmen und stillzuhalten, einem Gefühl der Resignation entsprungen war.
Bjo Breiskoll dagegen war nicht bereit, die Dinge auf sich beruhen zu lassen. Vielleicht hätte er anders reagiert, wenn es in ihm nicht diese starke gefühlsmäßige Bindung zu ihr und damit auch zu ihrem Vater gegeben hätte. So aber war er entschlossen, sich und seine Autorität einzusetzen, um Perg zumindest das Schlimmste
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