Atlan TH 0004 – Logbuch der SOL
Unbehagen lag. Vielleicht war alles nur Einbildung, und er machte sich Gedanken über Dinge, die keinerlei Bedeutung besaßen. Dennoch vermochte er dieses merkwürdige Gefühl nicht zu unterdrücken. Irgendwie glaubte er sich beobachtet. Tausend unsichtbare Augen schienen ihn fortwährend anzustarren und seinen Weg zu verfolgen. Eine seltsame Stimmung herrschte unter den Solanern wie das verhaltene Brodeln eines Vulkans kurz vor dem Ausbruch. Geschürt wurde es durch das gespannte Warten darauf, ob Joscan Hellmuts Extratour erfolgreich verlief.
Der Start des Kybernetikers und zwei seiner Freunde hatte sich längst herumgesprochen. Die Arge SOL selbst hatte dafür gesorgt, dass es jeder erfuhr, der sich überhaupt für aktuelle Nachrichten interessierte, und keinen Zweifel daran gelassen, dass Joscans Alleingang als Kompetenzüberschreitung geahndet werden würde. Zwar war dies ganz in Gavro Yaals Sinn, weil er die Chance witterte, den Mann, den er immer als Widersacher betrachtet hatte, endlich in Gefangenschaft zu sehen, doch schien bei der Mehrzahl der Menschen die Meinung vorzuherrschen, dass die Handlungsweise des Kybernetikers die einzig richtige war. Wenn Joscan die Schiffbrüchigen barg, würde die Arbeitsgemeinschaft es schwer haben, eine Verhaftung zu rechtfertigen.
Ein Konflikt lag in der Luft – und es mochte durchaus sein, dass dies die eigentliche Ursache dafür darstellte, dass Gavro sich verfolgt fühlte. Häufiger als sonst begegnete er Sicherheitskommandos und patrouillierenden Robotern. In die Zentrale traute er sich kaum noch. Er war dort nicht gern gesehen, und man hatte ihm das mehr als einmal deutlich zu verstehen gegeben. Die Solaner schätzten ihn ebenfalls nicht sonderlich, weil bekannt war, dass er für Joscan keinerlei Sympathie hegte. Manchmal kam es ihm vor, als befände er sich zwischen zwei Parteien, die gleichermaßen nichts mehr mit ihm zu tun haben wollten.
Er schüttelte unwillig den Kopf, als er sein Labor betrat. Von dem, was ihn beschäftigte, wollte er sich nichts anmerken lassen. Es brauchte nicht jeder zu wissen, was in ihm vorging.
Ein Mitarbeiter kam ihm entgegen und gestikulierte heftig.
»Hast du es schon gehört, Gavro?«
»Was?«, fragte er unwillig.
»Joscans Space-Jet ist vor ein paar Minuten von dem Meteoriten gestartet«, berichtete der andere voller Enthusiasmus. »Sie haben es eben durchgegeben. Allerdings sind sie nicht sicher, ob er noch Überlebende gefunden hat.«
»Wahrscheinlich nicht«, brummte Gavro.
Er wollte sich abwenden, doch der andere packte ihn am Arm und hielt ihn fest.
»Wenn doch, ist er rehabilitiert. Dann ist erwiesen, dass er nicht gegen die Interessen der Solaner verstoßen hat.«
Gavro starrte ihn an.
»Würdest du mich bitte loslassen?«
Seine betonte Höflichkeit war nichts anderes als verhaltene Aggressivität. Der andere merkte das und fuhr erschrocken zurück. Seine Augen weiteten sich.
»Was hast du?«
»Ich kann es nicht ausstehen«, fuhr der Kosmobiologe ihn an, »wenn Joscan Hellmut allerorten als Held gefeiert wird. Er hat eigenmächtig gehandelt und die Anweisungen der Arbeitsgemeinschaft bewusst missachtet. Dafür muss er bestraft werden – ganz gleich, ob er mit Überlebenden zurückkommt oder nicht.«
»Du redest Unsinn«, hielt sein Kollege ihm vor. »Der Versuch, Menschenleben zu retten, kann nicht strafbar sein.«
»Er ist es in dem Moment, in dem dadurch weitere Leben aufs Spiel gesetzt werden!«
»Aber das ist nicht geschehen! Er handelte auf eigene Faust und auf eigenes Risiko, ebenso seine Begleiter. Kein anderer Solaner wurde dadurch gefährdet.«
»Das tut doch gar nichts zur Sache«, brauste Gavro auf. »Maßgebend ist, dass er in krimineller Weise eine Jet in seinen Besitz gebracht und gegen die Interessen aller Menschen an Bord gehandelt hat. Die Chance, dass die Expeditionsteilnehmer noch leben, ist so gut wie null. Das weiß ich, du weißt es, und Joscan weiß es auch. Trotzdem schlägt er zwei Menschen zusammen und stiehlt ein Raumfahrzeug.«
Der andere senkte kurz den Blick, dann hob er den Kopf und sah Gavro erschüttert an.
»Es war mir klar, dass du von Joscan Hellmut nicht viel hältst«, sagte er leise. »Aber ich wusste nicht, dass du ihn hasst! «
Er drehte sich um und ging zu seinem Arbeitsplatz zurück, ohne den Kosmobiologen weiter zu beachten.
Einmal mehr wurde Gavro Yaal bewusst, wie sehr er sich längst von allen anderen Solanern distanziert hatte. Nie war es ihm wirklich
Weitere Kostenlose Bücher