Atlan TH 0006 – Stadt der Freien
verlaufen. Die Bewohner des Planeten Orsall verwendeten eine auf mathematischen Grundsätzen basierende Sprache, die derjenigen von Tannahmat weitgehend glich – und ihre Zivilisation war weit genug entwickelt, dass sie Bedarf für die in Tannahmat erzeugten technischen Produkte hatte und über Raumfrachter verfügte, die ihre eigenen Erzeugnisse zur Stadt bringen konnten.
Lanta fragte sich, warum er sich nicht vor dem Anblick der Fremden fürchtete. Er ahnte, dass man mit ihm etwas angestellt hatte, um diese Furcht zu beseitigen, doch er wusste nicht, was es war. Vor neunzehn Tagen war er durch einen langen Korridor gegangen, begleitet von vier Personen, die die hellblauen Kombinationen von Spitzenwissenschaftlern trugen. Man hatte ihn in einen Saal gebracht, wo er sich unverhofft dem Obersten Gulnithen und seinen Beratern gegenübergesehen hatte. Der Oberste Gulnithe hatte ihm erklärt, dass der Kontakt mit einem Schiff von Orsall erfolgen werde und dass er, Lanta, darauf vorbereitet werden würde, die Besatzung dieses Schiffes zu empfangen.
In den folgenden Tagen hatte er viel lernen müssen, war von Wissenschaftlern über die Verhältnisse in Tannahmat, über die Produkte, die die Raumstadt den Fremden anbieten wollte, und über das, was sie dafür erhalten würde, informiert worden. Dabei hatte er immer wieder bemerkt, dass er vieles von dem, was er zum Verständnis dieser Informationen benötigte, urplötzlich wusste. Woher dieses Wissen kam, daran freilich erinnerte er sich ebenso wenig wie an seine Vergangenheit.
Doch im Augenblick erschien ihm das alles nicht so wichtig wie die erhebende Tatsache, dass er als Auserwählter eine große Verantwortung trug.
»Gleich ist es so weit, Lanta«, hallte die Stimme von Kriathon, dem Wissenschaftler, der zu seiner persönlichen Betreuung abgestellt worden war, aus den Lautsprechern innerhalb der Kuppel. »Bist du bereit?«
»Ich bin bereit«, antwortete Lanta.
Er sah, dass der Raumfrachter die Strukturschleuse in der die Stadt umspannenden Energiesphäre passiert hatte und sich auf die Fesselfeldgitter des Kais senkte. Scheinwerfer flammten auf und rissen das Schiff aus der Dunkelheit.
Lanta stockte der Atem. Der Raumfrachter war noch größer, als er nach seinen Positionslichtern vermutet hatte: ein lang gestrecktes zylindrisches Gebilde aus mattblau schimmerndem Metallplastik von circa sechshundert Metern Länge und einem Durchmesser von etwa hundertfünfzig Metern. Zahlreiche bizarr geformte Auswüchse und ebenso zahlreiche Antennen ragten aus seiner Außenhülle.
Das Schiff war beinahe so groß wie einer der Wohnsilos der Raumstadt, die zu Dutzenden auf der neunzig Kilometer dicken Basisplatte standen.
Soeben bildete sich im stumpfen Bug des Frachters eine Öffnung. Zwei Gestalten in Raumanzügen traten auf die Drehplatte des Kais und klappten ihre Druckhelme zurück. Überrascht sah Lanta in Gesichter, die sich kaum von den Gesichtern der Stadtbewohner unterschieden.
Als sich vor ihm das Schott in der Kuppel öffnete, trat Lanta ohne Zögern hindurch und bestieg wenig später das Personenlaufband des Kais, das dicht neben dem deutlich breiteren Frachttransportband verlief.
Die Fremden warteten auf der silbrig schimmernden, mehr als einen Kilometer durchmessenden Drehplatte, bis Lanta das Personenlaufband wieder verließ und damit nur noch wenige Meter von ihnen entfernt war. Dann hoben sie die Hände ein wenig an und drehten sie so, dass Lanta die Handflächen sehen konnte.
Die Wissenschaftler hatten ihm erklärt, dass dies eine uralte traditionelle Geste war, die Friedfertigkeit signalisierte und mit der gleichen Geste erwidert werden musste. Deshalb hob auch Lanta seine Hände an und zeigte den Besuchern die leeren Handflächen.
»Willkommen in Tannahmat!«, sagte er. »Mein Name ist Lanta. Ich werde im Auftrag des Obersten Gulnithen die Verhandlungen mit euch führen.«
Über die Gesichter der beiden Raumfahrer flog ein Lächeln. »Wir bedanken uns für den freundlichen Empfang, Lanta«, erwiderte einer der beiden Fremden. »Mein Name ist Ogr T'neul. Ich bin der Kommandant des Raumfrachters.« Er deutete auf seinen Begleiter. »Das ist Fran D'vielle, Handelsbeauftragter der Firmengruppe NATRAM, die den interstellaren Handel beherrscht.«
»Den interstellaren Handel Orsalls«, korrigierte Fran D'vielle den Kommandanten. »Wollen wir in der Stadt oder auf dem Frachter reden, Lanta?«
»Ich bitte euch, mir zu folgen«, erwiderte Lanta. »Wir haben
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