Atlantis
Blockhütten am Stillwater River, doch als ich 1966 an die U of M kam, wohnte ich in Chamberlain Hall, das zu einem Komplex aus drei Wohnheimen gehörte - Chamberlain (Männer), King (Männer) und Franklin (Frauen). Es gab auch einen Speisesaal, das Holyoke Commons, der ein Stück von den Wohnheimen entfernt war - nicht sehr weit, vielleicht nur an die zweihundert Meter, aber wenn an den Winterabenden ein starker Wind wehte und die Temperatur unter den Gefrierpunkt sank, schien er sehr weit weg zu sein. So weit, dass das Holyoke »Palast in der Prärie« genannt wurde.
Ich lernte eine Menge auf dem College, und das wenigste davon in den Klassenzimmern. Ich lernte, wie man ein Mädchen küsst und dabei ein Gummi überzieht (eine unverzichtbare, aber oft unbeachtete Fähigkeit), wie man eine Halbliterdose Bier auf ex trinkt, ohne dass es einem hochkommt, und wie ich mir in meiner Freizeit was dazuverdienen konnte (indem ich Hausarbeiten für Kommilitonen schrieb, die mehr Geld hatten als ich, was auf die meisten von ihnen zutraf); ich lernte, kein Republikaner zu sein, obwohl ich einer langen Ahnenreihe von Republikanern entstammte, mit einem hocherhobenen Schild auf die Straße zu gehen und One two three four we won’t fight your fucking war oder He, he, LBJ, how many kids did you kill today zu skandieren. Ich lernte, dass man nach Möglichkeit versuchen sollte, bei Tränengas aus der Windrichtung zu gelangen, und wenn das nicht ging, langsam durch ein Taschentuch oder ein Kopftuch zu atmen. Ich lernte, dass man sich am besten zu Boden wirft, sich auf die Seite dreht, die Knie an die Brust zieht und den Hinterkopf mit den Händen bedeckt, wenn die Gummiknüppel gezückt werden. 1968 lernte ich in Chicago, dass einem die Cops die Scheiße aus den Knochen prügeln können, auch wenn man sich noch so gut schützt.
Doch bevor ich all das lernen konnte, lernte ich die Freuden und Gefahren von Hearts kennen. Im zweiten Stock von Chamberlain Hall gab es im Herbst 1966 sechzehn Zimmer mit zweiunddreißig Jungen; im Januar 1967 waren neunzehn dieser Jungen entweder woanders hingezogen oder hatten das College geschmissen: Opfer von Hearts. Es griff in diesem Herbst unter uns um sich wie eine bösartige Grippe. Nur drei der jungen Männer auf Zwei waren vollständig
immun, glaube ich. Einer war mein Zimmergenosse, Nathan Hoppenstand. Einer war David »Dearie« Dearborn, der auf der Etage die Aufsicht hatte. Der Dritte war Stokely Jones III., der bei den Bewohnern von Chamberlain Hall bald darauf Ratz-Fatz heißen sollte. Manchmal denke ich, es ist Ratz-Fatz, von dem ich Ihnen erzählen will; manchmal denke ich, es ist Skip Kirk (später natürlich nur »Captain Kirk« genannt), mein bester Freund in diesen Jahren; und manchmal denke ich, es ist Carol. Oft glaube ich, dass ich über die Sixties selbst sprechen will, so unmöglich mir das immer erschienen ist. Aber bevor ich über all das spreche, erzähle ich Ihnen lieber erst einmal etwas über Hearts.
Skip hat mal gesagt, Whist sei Bridge für Doofe, und Hearts sei Bridge für richtig Doofe. Das kann ich nicht bestreiten, obwohl es die Sache irgendwie nicht so ganz trifft. Hearts macht Spaß, das ist der springende Punkt, und wenn man um Geld spielt - ein Nickel pro Punkt war der Standardsatz auf Chamberlain Zwei -, wird es schnell zu einer Sucht. Mit vier Spielern geht es am besten. Alle Karten werden verteilt, und dann werden Stiche gemacht. Bei jedem einzelnen Spiel gibt es insgesamt sechsundzwanzig Punkte zu verteilen: dreizehn Herzen zu jeweils einem Punkt, während die Pik-Dame (die wir die Schlampe genannt haben) ganz allein dreizehn Punkte zählt. Die Runde ist zu Ende, sobald einer der vier Spieler über hundert Punkte hat. Sieger ist der Spieler mit der niedrigsten Punktzahl.
Bei unseren Marathonspielen kassierte der Gewinner von den drei unterlegenen Spielern jeweils den Betrag, der ihrer Punktedifferenz entsprach. Wenn ich am Ende der Runde beispielsweise zwanzig Punkte mehr hatte als Skip, musste
ich ihm bei der gängigen Rate von einem Nickel pro Punkt einen Dollar bezahlen. Peanuts, würde man heute sagen, aber wir schrieben 1966, und da war ein Dollar keine Kleinigkeit für die nebenher arbeitenden Studenten, die auf Chamberlain Zwei wohnten.
3
Ich erinnere mich noch ziemlich genau, wann die Hearts-Epidemie ausbrach: am ersten Wochenende im Oktober. Das weiß ich noch, weil die erste Runde der Vorprüfungen in diesem Semester gerade zu Ende war und ich
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