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Atlantis

Titel: Atlantis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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an der frischen, kühlen Luft stand, fiel es mir schwer zu begreifen, weshalb.
    »Zu Hause hab ich einen Freund«, sagte sie.
    »Heißt das Nein?«
    Sie schüttelte den Kopf, immer noch mit dem leisen Lächeln. Der Rauch ihrer Zigarette zog ihr übers Gesicht. Ihre Haare waren von dem Netz befreit, das die Mädchen vom Spültrupp tragen mussten, und wehten ihr leicht über die Stirn. »Das ist eine Information. Erinnerst du dich an diese Serie, Nummer 6? ›Nummer 6, wir wollen … Informationen .‹«
    »Zu Hause hab ich eine Freundin«, sagte ich. »Noch eine Information.«

    »Ich hab noch einen anderen Job. Ich gebe Nachhilfe in Analysis, und ich hab einem Mädchen aus dem ersten Stock versprochen, heute Abend eine Stunde mit ihr zu arbeiten. Differenzialrechnung. Bah! Sie ist ein hoffnungsloser Fall und jammert mir die Ohren voll, aber es bringt sechs Dollar pro Stunde.« Carol lachte. »Das lässt sich gut an, wir tauschen ja schon wie wild Informationen aus.«
    »Für Bogie sieht’s aber nicht so gut aus.« Trotzdem machte ich mir keine Sorgen. Ich wusste, dass wir Bogie sehen würden. Ich glaube, ich wusste auch, dass die Zukunft eine Liebesgeschichte für uns bereithielt. Ich fühlte mich merkwürdig leicht im Bauch, fast so, als würde ich abheben.
    »Ich könnte Esther vom Hauck aus anrufen und die Mathestunde von neun auf zehn verlegen«, sagte Carol. »Esther ist ein trauriger Fall. Sie kommt nie raus. Meistens sitzt sie mit Lockenwicklern in den Haaren rum und schreibt Briefe nach Hause, wie schwer das College ist. Wir könnten uns zumindest den ersten Film ansehen.«
    »Klingt gut«, sagte ich.
    Wir machten uns auf den Weg zum Hauck. Tja, das waren noch Zeiten; man brauchte weder einen Babysitter zu organisieren noch den Hund rauszubringen, die Katze zu füttern oder die Alarmanlage anzustellen. Man ging einfach los.
    »Ist das so was wie ein Rendezvous?«, fragte sie nach einer Weile.
    »Na ja«, sagte ich, »wär durchaus möglich.« Wir gingen gerade am östlichen Anbau vorbei, und die Pfade füllten sich mit anderen Studenten, die auf dem Weg zum Hörsaal waren.

    »Gut«, sagte sie. »Ich hab nämlich meine Handtasche in meinem Zimmer gelassen. Ich kann nicht für mich bezahlen.«
    »Keine Sorge, ich bin reich. Hab heute beim Kartenspielen ordentlich gewonnen.«
    »Poker?«
    »Hearts. Kennst du das?«
    »Soll das ein Witz sein? In dem Sommer, als ich zwölf war, hab ich drei Wochen in Camp Winiwinaia am Lake George verbracht. Ein YMCA-Camp - Arme-Kinder-Camp, wie meine Mutter es nannte. Es hat praktisch jeden Tag geregnet, und wir haben die ganze Zeit nur Hearts gespielt und die Schlampe gejagt.« Ihr Blick ging in die Ferne, wie der von Leuten, die über eine Erinnerung stolpern wie über einen Schuh im Dunkeln. »Die schwarze Lady suchen. Cherchez la femme noire. «
    »Richtig, das ist das Spiel.« Ich wusste, dass ich für sie einen Moment lang überhaupt nicht da war. Dann kam sie zurück, grinste mich an und fischte die Zigaretten aus ihrer Hosentasche. Damals rauchten wir wie die Schlote. Wir alle. Damals durfte man sogar noch in den Wartezimmern der Krankenhäuser rauchen. Als ich das meiner Tochter erzählte, hat sie mir zuerst nicht geglaubt.
    Ich holte meine eigenen Zigaretten raus und zündete uns beiden eine an. Es war ein guter Augenblick, als wir einander im Lichtschein des Zippo-Feuerzeugs ansahen. Nicht so süß wie ein Kuss, aber schön. Ich spürte wieder diese Leichtigkeit in mir, dieses Gefühl zu schweben. Manchmal erweitert sich das Blickfeld, und ein Hoffnungsstrahl fällt hinein. Manchmal glaubt man, um die Ecke sehen zu können, und vielleicht kann man das auch. Das sind gute Augenblicke.
Ich ließ mein Feuerzeug zuschnappen, und wir gingen rauchend weiter; unsere Handrücken waren nah beieinander, berührten sich aber nicht ganz.
    »Von wie viel Geld reden wir?«, fragte sie. »Genug, um damit nach Kalifornien durchzubrennen, oder nicht ganz so viel?«
    »Neun Dollar.«
    Sie lachte und nahm meine Hand. »Okay, dann ist es ein Rendezvous«, sagte sie. »Du kannst mich auch zu Popcorn einladen.«
    »Wird gemacht. Interessiert’s dich, welcher Film zuerst läuft?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Bogie ist Bogie.«
    »Das stimmt«, sagte ich, aber ich hoffte, es würde Die Spur des Falken sein.
    Er war es. Etwa in der Mitte des Films, als Peter Lorre seinen ziemlich unheilverkündenden Auftritt als Schwuler hat und Bogie ihn höflich, belustigt und ungläubig zugleich

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