Atlantis
öffentlichen Mitteln gefördert. Ich hab nicht alles gekriegt, was ich brauchte - die Uni in Connecticut hat mir, ehrlich gesagt, ein besseres Angebot gemacht -, aber ich scheue mich nicht vor ein bisschen Arbeit. Ich bin weg von zu Hause, und das ist mir die Sache wert.«
Sie sog die Nachtluft tief in die Lungen und stieß sie dann wieder aus, eine kaum sichtbare weiße Wolke. Wir waren fast wieder an der Franklin angelangt. In der Eingangshalle sah ich ein paar Jungs in den harten, körperfreundlich geformten Plastikstühlen sitzen und darauf warten, dass ihre Freundinnen herunterkamen. Sie wirkten wie ein repräsentativer Querschnitt aus dem Verbrecheralbum.
Ich bin weg von zu Hause, und das ist mir die Sache wert, hatte sie gesagt. Meinte sie damit die Mutter, die Stadt und die Highschool, oder bezog sich das auch auf den Freund?
Als wir zu der großen Doppeltür an der Vorderseite ihres Wohnheims kamen, nahm ich sie in die Arme und beugte mich hinunter, um sie noch einmal zu küssen. Sie legte mir die Hände auf die Brust und stoppte mich. Sie wich nicht zurück, sie stoppte mich nur. Sie schaute mir mit ihrem leisen Lächeln ins Gesicht. In dieses Lächeln könnte ich mich verlieben, dachte ich - es war so ein Lächeln, an das man dachte, wenn man mitten in der Nacht aufwachte. In die blauen Augen und die blonden Haare auch, aber hauptsächlich in das Lächeln. Die Lippen bogen sich nur ein bisschen, aber sie bekam trotzdem Grübchen um die Mundwinkel.
»Der richtige Name meines Freundes ist John Sullivan«, sagte sie. »Wie der Boxer. Jetzt sag mir, wie deine Freundin heißt.«
»Annmarie«, sagte ich, und fand den Klang dieses Namens nicht besonders großartig, als er aus meinem Mund kam. »Annmarie Soucie. Sie ist in der Abschlussklasse an der Gates Falls High.« Ich ließ Carol los. Als ich das tat, nahm sie ihre Hände von meiner Brust und ergriff meine.
»Das sind Informationen«, sagte sie. »Informationen, mehr nicht. Willst du mich immer noch küssen?«
Ich nickte. Ich wollte es mehr denn je.
»Okay.« Sie hob mir das Gesicht entgegen, schloss die Augen und öffnete die Lippen ein wenig. Sie sah wie ein Kind aus, das am Fuß der Treppe auf Papas Gutenachtkuss wartet. Es war so niedlich, dass ich beinahe gelacht hätte.
Stattdessen beugte ich mich hinunter und küsste sie. Sie erwiderte den Kuss freudig und mit Begeisterung. Unsere Zungen berührten sich nicht, aber es war dennoch ein tiefer, suchender Kuss. Als sie zurückwich, waren ihre Wangen gerötet, und ihre Augen glänzten. »Gute Nacht. Danke für den Film.«
»Wollen wir das noch mal machen?«
»Darüber muss ich erst nachdenken.« Sie lächelte, aber ihr Blick war ernst. Vermutlich dachte sie an ihren Freund; ich weiß, dass ich an Annmarie dachte. »Vielleicht solltest du das auch lieber tun. Wir sehen uns Montag in der Küche. Was hast du?«
»Mittagessen und Abendessen.«
»Ich hab Frühstück und Mittagessen. Dann sehen wir uns also am Mittag.«
»Iss mehr Bohnen aus Maine«, sagte ich. Das brachte sie zum Lachen. Sie ging hinein. Ich stand mit hochgeschlagenem Kragen draußen, Hände in den Taschen und eine Zigarette zwischen den Lippen, sah ihr nach und fühlte mich wie Bogie. Ich sah, wie sie etwas zu dem Mädchen am Empfang sagte und dann, immer noch lachend, mit schnellen Schritten nach oben ging.
Ich schlenderte im Mondschein zur Chamberlain zurück, fest entschlossen, mich ernsthaft der Geosynklinale zu widmen.
12
Ich ging nur in den Aufenthaltsraum im zweiten Stock, um mir mein Geologiebuch zu holen; ich schwöre, das ist die Wahrheit. Als ich dort ankam, war jeder Tisch - dazu noch ein oder zwei andere, die von anderen Etagen entführt worden sein mussten - von einem Quartett Hearts spielender Narren besetzt. In der Ecke saß sogar eine Gruppe im Schneidersitz auf dem Fußboden, und die Spieler starrten konzentriert auf ihre Karten. Sie sahen wie dilettantische Yogis aus. »Wir jagen die Fotze!«, brüllte Ronnie Malenfant in den Raum. »Wir holen die Schlampe raus, Jungs!«
Ich nahm mein Geologielehrbuch von dem Sofa, auf dem es den ganzen Tag und den Abend hindurch gelegen hatte (jemand hatte darauf gesessen, und es verschwand fast zwischen zwei Polstern, aber dieses Baby war zu groß, um sich vollständig zu verstecken), und sah es an, wie man ein Artefakt mit unbekanntem Verwendungszweck ansehen mochte. Als ich im Hauck Auditorium neben Carol Gerber gesessen hatte, war mir diese verrückte Kartenparty wie ein
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