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Atlantis

Titel: Atlantis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Traum vorgekommen. Jetzt war es Carol, die etwas von einem Traum hatte - Carol mit ihren Grübchen und ihrem Freund mit dem Boxernamen. Ich hatte noch sechs Dollar in der Tasche, und es war absurd, dass ich enttäuscht war, nur weil ich bei keiner der gerade laufenden Runden einsteigen konnte.
    Lernen, das war es, was ich tun musste. Mich mit der Geosynklinale anfreunden. Ich würde meine Zelte im Aufenthaltsraum im ersten Stock aufschlagen oder mir vielleicht eine ruhige Ecke im Freizeitraum im Keller suchen.

    Als ich gerade mit der Historischen Geologie unter dem Arm hinausgehen wollte, warf Kirby McClendon die Karten hin und rief: »Scheiße, verdammt! Ich bin pleite! Alles bloß, weil ich dauernd die verdammte Pik-Dame draufgepackt kriege! Ich gebe euch Schuldscheine, aber ich bin ehrlich total im Arsch.« Er ging an mir vorbei hinaus, ohne sich noch einmal umzuschauen, und zog auf dem Weg durch die Tür den Kopf ein - ich habe immer gedacht, dass es eine Art Fluch sein muss, so groß zu sein. Einen Monat später sollte Kirby in einem viel umfassenderen Sinn im Arsch sein; da nahmen ihn seine erschrockenen Eltern nämlich nach einem Nervenzusammenbruch und einem idiotischen Selbstmordversuch von der Universität. Er war nicht das erste und auch nicht das letzte Opfer der Hearts-Manie in diesem Herbst, aber das einzige, das sich durch die Einnahme von zwei Flaschen Kinderaspirin mit Orangengeschmack ins Jenseits zu befördern versuchte.
    Lennie Doria sah ihm nicht einmal nach. Stattdessen schaute er zu mir herüber. »Willst du einsteigen, Riley?«
    Es gab einen kurzen, aber absolut ehrlichen Kampf um meine Seele. Ich musste lernen. Ich hatte vorgehabt zu lernen, und für einen von finanzieller Unterstützung abhängigen Studenten wie mich war das auch eine gute Idee - mit Sicherheit sinnvoller, als hier in diesem verräucherten Raum zu hocken und den allgemeinen Dunst mit den Abgasen meiner Pall Malls zu verstärken.
    Deshalb sagte ich: »Ja, warum nicht?« und setzte mich hin und spielte fast bis um ein Uhr früh Hearts. Als ich schließlich zu meinem Zimmer zurücklatschte, lag Nate auf seinem Bett und las in der Bibel. Das tat er jeden Abend
direkt vor dem Schlafengehen. Er hatte mir erklärt, dies sei seine dritte Reise durch »das Wort Gottes«, wie er es immer nannte. Mittlerweile war er beim Buch Nehemia angekommen. Er blickte mit einer Miene ruhiger Neugier zu mir auf - ein Blick, der sich nie großartig änderte. Und wo ich jetzt darüber nachdenke: Nate selbst änderte sich auch nie großartig. Er war im Einführungskurs Zahnmedizin, und er blieb dabei; seiner letzten Weihnachtskarte an mich hatte er ein Foto seiner neuen Praxis in Houlton beigelegt. Auf dem Foto stehen die Heiligen Drei Könige auf der verschneiten Rasenfläche vor der Praxis um eine mit Stroh gefüllte Wiege. Hinter Maria und Josef kann man das Türschild lesen: DR. NATHANIEL HOPPENSTAND, ZAHNARZT. Er heiratete Cindy. Sie sind immer noch verheiratet, und ihre drei Kinder sind schon fast erwachsen. Rinty ist gestorben und ersetzt worden, vermute ich.
    »Hast du gewonnen?«, fragte Nate fast in demselben Ton wie meine Frau einige Jahre später, wenn ich nach einem Pokerabend am Donnerstag halb betrunken nach Hause kam.
    »Ja, hab ich.« Es hatte mich an einen Tisch verschlagen, an dem Ronnie spielte, und ich hatte drei meiner verbliebenen sechs Dollar verloren. Dann war ich zu einem anderen Tisch gedriftet, wo ich sie wieder zurückgewonnen hatte - und noch ein paar dazu. Aber ich war nicht dazu gekommen, mich mit der Geosynklinale und den Geheimnissen tektonischer Platten zu beschäftigen.
    Nate trug einen rot-weiß gestreiften Pyjama. Ich glaube, ich habe während meiner gesamten Collegezeit mit keinem anderen Menschen - männlich oder weiblich - das Zimmer geteilt, der einen Pyjama trug. Und natürlich auch mit keinem,
der Diane Renay Sings Navy Blue besaß. Als ich mich auszuziehen begann, schlüpfte Nate unter die Bettdecke und langte hinter sich, um die Arbeitslampe auf seinem Schreibtisch auszuschalten.
    »Hast du dir deine Geologie reingezogen?«, fragte er, als die Schatten seine Hälfte des Zimmers verschluckten.
    »Da bin ich fit«, sagte ich. Wenn ich Jahre danach spätnachts von meinen Pokerabenden nach Hause kam und meine Frau mich fragte, wie viel ich getrunken hätte, sagte ich in demselben munteren Ton: »Bloß ein paar Bier.«
    Ich schwang mich in mein Bett, schaltete das Licht aus und schlief beinahe sofort ein. Ich

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