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Atlantis

Titel: Atlantis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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eine gute Zeit für Mädchen.
    Wir kehrten ins Wohnheim zurück und gingen in mein Zimmer, um zu lernen. Am anderen Ende des Flurs jagten Ronnie, Nick, Lennie und die meisten anderen die Schlampe. Nach einer Weile machte Skip die Tür zu, um ihre Geräusche auszusperren, und als das nicht ganz funktionierte, schaltete ich Nates kleinen RCA Swingline ein, und wir legten Phil Ochs auf. Ochs ist jetzt tot - so tot wie meine Mutter und Michael Landon. Er hat sich mit seinem Gürtel erhängt. Die Selbstmordrate unter überlebenden Bürgern von Atlantis ist ziemlich hoch. Das ist wohl auch kein Wunder; wenn einem der Kontinent unter den Füßen versinkt, bleibt der Kopf nicht verschont.

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    Ein oder zwei Tage nach diesem Besuch bei Stoke Jones in der Krankenstation rief ich meine Mutter an und sagte, wenn sie es sich wirklich leisten könne, mir ein bisschen zusätzliches Geld zu schicken, würde ich gern ihre Idee aufgreifen, Nachhilfeunterricht zu nehmen. Sie stellte nicht viele Fragen und schimpfte auch nicht mit mir - man wusste, dass meine Mutter ernsthaft böse auf einen war, wenn sie nicht schimpfte -, aber drei Tage später hatte ich eine Zahlungsanweisung über dreihundert Dollar. Ich legte noch meine Hearts-Gewinne drauf - zu meinem Erstaunen beliefen sie sich auf fast achtzig Scheine. Das sind eine Menge Nickel.

    Meine Mutter erfuhr nichts davon, aber ich engagierte mit ihren dreihundert Dollar sogar zwei Nachhilfelehrer. Einer davon war ein Doktorand, der mir bei den Geheimnissen der tektonischen Platten und der Kontinentalverschiebung half, der andere ein Marihuana rauchender Student im letzten Studienjahr aus der King Hall, der Skip in Anthropologie half (und vielleicht ein oder zwei Hausarbeiten für ihn geschrieben hat, obwohl ich das nicht mit Sicherheit weiß). Dieser zweite Bursche hieß Harvey Brundage, und er war der Erste, der in meiner Gegenwart »Wow, Mann, is ja echt die Härte!«, sagte.
    Skip und ich gingen zusammen zum Dekan der Geistes-und Naturwissenschaftlichen Fakultät - wir konnten unmöglich zu Garretsen gehen, nicht nach jener Novemberversammlung im Freizeitraum der Chamberlain - und legten ihm dar, vor welchen Problemen wir standen. Genau genommen gehörte keiner von uns zu seiner Fakultät; als Studienanfänger waren wir noch nicht berechtigt, ein Hauptfach zu wählen, aber Dekan Randle hörte uns zu. Er empfahl uns, zu all unseren Dozenten zu gehen und ihnen das Problem zu schildern … uns ihnen mehr oder weniger auf Gedeih und Verderb auszuliefern.
    Wir taten es und hassten es von vorn bis hinten; in jenen Jahren wurden wir unter anderem deshalb zu unverbrüchlichen Freunden, weil wir mit denselben Yankee-Idealen aufgewachsen waren, und eines davon lautete, dass man nicht um Hilfe bat, wenn es nicht unbedingt sein musste, und vielleicht nicht einmal dann. Wir standen diese Canossa-Gänge nur durch, weil wir sie immer gemeinsam absolvierten. Wenn Skip bei seinen Lehrern drin war, wartete ich draußen auf dem Flur auf ihn und rauchte eine Zigarette
nach der anderen. Wenn ich an der Reihe war, wartete er auf mich.
    Insgesamt gesehen hatten die Dozenten erheblich mehr Verständnis für unsere Situation, als ich je vermutet hätte; die meisten überschlugen sich geradezu, uns zu helfen, damit wir nicht nur durchkamen, sondern auch so gut abschnitten, dass wir unsere Stipendien behalten konnten. Nur Skips Mathedozent war absolut unzugänglich, aber Skip schnitt in diesem Kurs gut genug ab, um ohne zusätzliche Hilfe durchzurutschen. Jahre später wurde mir klar, dass es für viele Dozenten eher eine moralische als eine akademische Frage gewesen war: Sie wollten die Namen ihrer ehemaligen Studenten nicht auf der Liste der Gefallenen sehen und sich die Frage stellen müssen, ob sie zum Teil dafür verantwortlich waren; wollten nicht denken müssen, dass der Unterschied zwischen einem D und einem C minus auch der Unterschied gewesen war zwischen einem Jungen, der sehen und hören konnte, und einem, der blind und taub irgendwo in einem Krankenhaus für Kriegsopfer saß.

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    Nach einem dieser Termine, als die Abschlussprüfungen am Ende des Semesters schon bedrohlich nahe gerückt waren, ging Skip ins Bear’s Den, um sich mit seinem Anthropologie-Nachhilfelehrer zu einer mit Kaffee angekurbelten Büffelsitzung zu treffen. Ich hatte Spüldienst im Holyoke. Als das Förderband an diesem Nachmittag endlich stillstand, ging ich ins Wohnheim zurück, um selbst weiterzulernen. Ich blieb in der

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