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Atlantis

Titel: Atlantis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Eingangshalle stehen, um einen Blick in
meinen Briefkasten zu werfen, und da lag ein rosa Paketschein drin.
    Das Paket war in braunes Papier eingepackt und mit einer Kordel umwickelt, aber mit ein paar aufgeklebten Weihnachtsglocken und Stechpalmzweigen aufgepeppt. Die Absenderangabe traf mich in den Bauch wie ein unerwarteter Tiefschlag: Carol Gerber, 172 Broad Street, Harwich, Connecticut.
    Ich hatte nicht versucht, sie anzurufen, und nicht nur, weil ich damit beschäftigt war, meinen Arsch zu retten. Ich glaube, ich habe den wahren Grund erst erkannt, als ich ihren Namen auf diesem Paket sah. Ich war davon überzeugt gewesen, dass sie zu Sully-John zurückgekehrt war. Dass die Nacht, in der wir uns in meinem Wagen geliebt hatten, während die Oldies liefen, für sie schon längst Schnee von gestern war. Dass ich für sie Schnee von gestern war.
    Auf Nates Plattenspieler drehte sich die Scheibe von Phil Ochs, aber Nate selbst hielt ein Nickerchen auf seinem Bett; ein Exemplar der Newsweek lag aufgeschlagen auf seinem Gesicht. General William Westmoreland war auf dem Titel. Ich setzte mich an meinen Schreibtisch, legte das Päckchen vor mich hin, griff nach der Kordel und hielt dann inne. Meine Finger zitterten. Herzen halten einiges aus, hatte sie gesagt. Sie brechen kaum je. Meistens verbiegen sie sich nur. Sie hatte natürlich recht … aber meines tat weh, als ich dasaß und das Weihnachtspäckchen ansah, das sie mir geschickt hatte; es tat sehr weh. Auf dem Plattenteller lag Phil Ochs, aber im Kopf hörte ich ältere, süßere Musik. Im Kopf hörte ich die Platters.
    Ich schnitt die Kordel durch, zerriss das Klebeband, entfernte das Packpapier und legte schließlich eine kleine weiße
Pappschachtel aus dem Kaufhaus frei. Sie enthielt ein in glänzendes rotes Papier eingewickeltes Geschenk mit einem weißen Satinband drum herum. Es war auch ein quadratischer Umschlag drin, auf dem mein Name in ihrer vertrauten Handschrift stand. Ich öffnete den Umschlag und zog eine Hallmark-Grußkarte heraus - Nur das Beste für jene, die Ihnen wirklich am Herzen liegen, lautete der Werbeslogan. Vorn drauf waren Schneeflocken aus Silberpapier und Engel aus Silberpapier, die Trompeten aus Silberpapier bliesen. Als ich die Karte aufklappte, fiel ein Zeitungsausschnitt auf das Geschenk, das sie mir geschickt hatte. Er stammte aus einer Zeitung aus Harwich namens Journal . Oben auf den Rand über der Schlagzeile hatte Carol geschrieben: Diesmal hab ich’s geschafft - Purple Heart, im Kampf verwundet! Keine Angst, fünf Stiche in der Notaufnahme & ich war zum Abendessen wieder zu Hause.
    Die Schlagzeile lautete: 6 VERLETZTE, 14 FESTNAHMEN BEI AUSSCHREITUNGEN NACH PROTEST VOR BÜRO DER EINBERUFUNGSKOMMISSION. Das Foto stand in scharfem Kontrast zu dem in der News aus Derry, auf dem alle, sogar die Cops und die Bauarbeiter, die ihre eigene spontane Gegendemonstration gestartet hatten, einigermaßen entspannt ausgesehen hatten. Die Leute auf dem Foto im Harwicher Journal wirkten dagegen verwirrt und alles andere als entspannt; ihre Nerven schienen blankzuliegen. Man sah behelmte Typen mit Tätowierungen auf ihren muskelbepackten Armen und hasserfüllt verzerrten Gesichtern; man sah langhaarige Jugendliche, die sie wütend und trotzig anstarrten. Einer der Letzteren stand mit ausgebreiteten Armen vor einem johlenden Trio von Männern, als wollte er sagen: Na los, wollt ihr was von mir? Zwischen
den beiden Gruppen waren Cops, die angespannt und nervös aussahen.
    Auf der linken Seite (Carol hatte einen Pfeil gemalt, der auf diesen Teil des Fotos zeigte, als ob es mir sonst entgangen wäre) sah man eine vertraute Jacke mit HARWICH HIGH SCHOOL auf dem Rücken. Wieder einmal hatte sie den Kopf gedreht, diesmal jedoch zur Kamera hin statt von ihr weg. Ich sah das über ihre Wange laufende Blut viel deutlicher, als ich wollte. Sie konnte lustige Pfeile malen und forsch-fröhliche Anmerkungen an den Rand schreiben, soviel sie wollte; ich fand das nicht witzig. Das war kein Schokoladensirup auf ihrem Gesicht. Ein Cop hielt sie am Arm fest. Das Mädchen auf dem Zeitungsfoto schien sich weder daran zu stören noch an der Tatsache, dass ihr Kopf blutete (falls sie in diesem Moment überhaupt wusste , dass ihr Kopf blutete). Das Mädchen auf dem Zeitungsfoto lächelte. In einer Hand hielt sie ein Schild mit der Aufschrift: SCHLUSS MIT DEM MORDEN! Die andere war der Kamera entgegengereckt, und die ersten beiden Finger formten ein V. V für

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