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Atlantis

Titel: Atlantis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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raus, Bobby. Bitte lass deine Mutter allein. Ich hab Kopfschmerzen.«
    In dieser Nacht hörte er sie wieder weinen. Am nächsten Tag sah er, wie sie sorgfältig eins der Kleider einpackte - das mit den dünnen Trägern. Das andere wanderte wieder in die Schachtel zurück: KLEIDER VON LUCIE AUS BRIDGEPORT stand in eleganten kastanienbraunen Lettern vorn drauf.

    Am Montagabend lud Liz Ted Brautigan zum Abendessen ein. Bobby liebte den Hackbraten seiner Mutter und verlangte für gewöhnlich immer einen Nachschlag, aber diesmal musste er sich große Mühe geben, auch nur ein einziges Stück hinunterzuwürgen. Er hatte panische Angst, dass Ted in Trance fallen und seine Mutter deswegen ausrasten würde.
    Seine Angst erwies sich als unbegründet. Ted sprach freundlich von seiner Kindheit in New Jersey und auf die Fragen von Bobbys Mutter hin auch von seinem Job in Hartford. Bobby hatte den Eindruck, dass er weniger gern über seine Tätigkeit in der Buchhaltung redete als darüber, wie er als Kind Schlitten gefahren war, aber seine Mutter schien das nicht zu bemerken. Ted bat jedenfalls um eine zweite Scheibe vom Hackbraten.
    Als sie mit dem Essen fertig waren und den Tisch abgeräumt hatten, gab Liz Ted eine Liste mit Telefonnummern, darunter die von Dr. Gordon, vom Büro im Sterling House und vom Warwick Hotel. »Wenn es irgendwelche Probleme gibt, will ich, dass Sie anrufen. Okay?«
    Ted nickte. »Okay.«
    »Bobby? Du machst mir doch keinen Kummer?« Sie legte ihm kurz die Hand auf die Stirn, wie sie es zu tun pflegte, wenn er über Fieber klagte.
    »Nee. Wir werden eine tolle Zeit haben. Nicht wahr, Mr. Brautigan?«
    »Ach, sag ruhig Ted zu ihm«, schnauzte ihn Liz beinahe an. »Wenn er in unserem Wohnzimmer schläft, sollte ich ihn wohl auch lieber mal Ted nennen. Darf ich?«
    »Aber gern. Belassen wir’s von jetzt an bei Ted.«
    Er lächelte. Bobby fand, dass es ein nettes Lächeln war, offen und freundlich. Er begriff nicht, wie man ihm widerstehen
konnte. Aber seine Mutter konnte es und tat es auch. Selbst als sie nun Teds Lächeln erwiderte, sah er, wie die Hand mit dem Kleenex sich in der alten, vertrauten Geste nervösen Missbehagens verkrampfte und wieder entspannte. Einer ihrer absoluten Lieblingssprüche kam Bobby in den Sinn: Ich traue ihm (oder ihr) so weit über den Weg, wie ich ein Klavier werfen könnte.
    »Und ich bin von jetzt an Liz.« Sie streckte ihm über den Tisch hinweg die Hand hin, und sie schüttelten sich die Hände wie Leute, die sich zum ersten Mal trafen … aber Bobby wusste, dass seine Mutter sich bereits eine feste Meinung über Ted Brautigan gebildet hatte. Wenn sie nicht mit dem Rücken an der Wand gestanden hätte, würde sie ihm Bobby niemals anvertrauen. Nicht in einer Million Jahren.
    Sie öffnete ihre Handtasche und holte einen schlichten weißen Umschlag heraus. »Da sind zehn Dollar drin«, sagte sie und gab Ted den Umschlag. »Ihr werdet mindestens einmal auswärts essen wollen, nehme ich an - Bobby mag das Colony Diner, wenn Sie damit einverstanden sind -, und vielleicht wollt ihr euch auch einen Film ansehen. Ich weiß nicht, was sonst noch sein könnte, aber am besten, man hat ein kleines Polster, finden Sie nicht?«
    »Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste«, stimmte Ted zu und steckte den Umschlag vorsichtig in die vordere Tasche seiner Hose, »aber ich glaube nicht, dass wir in den drei Tagen auch nur annähernd zehn Dollar durchbringen werden. Oder was meinst du, Bobby?«
    »Herrje, nein, ich wüsste nicht, wie.«
    »Spare in der Zeit, so hast du in der Not«, sagte Liz - ein weiterer Lieblingsspruch, gleich neben Der Narr und sein Geld sind bald geschiedene Leute . Sie zupfte sich eine Zigarette
aus der Packung auf dem Tisch neben dem Sofa und zündete sie mit einer nicht ganz ruhigen Hand an. »Ihr kommt schon zurecht. Wahrscheinlich werdet ihr eine schönere Zeit verleben als ich.«
    Bobby schaute auf ihre schartigen, abgekauten Fingernägel und dachte: Soviel steht fest.
     
    Seine Mutter und die anderen würden mit Mr. Bidermans Wagen nach Providence fahren, und am nächsten Morgen standen Liz und Bobby Garfield um sieben Uhr auf der Veranda und warteten auf sie. Die Luft hatte jene frühe, dunstige Stille, die bedeutete, dass die heißen Tage des Sommers angebrochen waren. Von der Asher Avenue drang das Hupen und Brummen des starken Verkehrs herüber - Leute, die auf dem Weg zur Arbeit waren -, aber hier unten auf der Broad Street fuhr nur hin und wieder

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