Atlantis
ein Pkw oder ein Lieferwagen vorbei. Bobby hörte das hischahischa der Rasensprenkler und das endlose ruup-ruup-ruup von Bowser auf der anderen Seite des Blocks. Bowser klang immer gleich, ob es nun Juni oder Januar war; für Bobby Garfield schien Bowser so unveränderlich zu sein wie der liebe Gott.
»Du musst nicht hier draußen mit mir warten«, sagte Liz. Sie trug einen leichten Mantel und rauchte eine Zigarette. Sie hatte ein bisschen mehr Make-up aufgelegt als sonst, aber Bobby glaubte trotzdem, Schatten unter ihren Augen zu erkennen - sie hatte wieder eine schlaflose Nacht verbracht.
»Macht mir nichts aus.«
»Ich hoffe, es ist in Ordnung, dass ich dich mit ihm allein lasse.«
»Wenn du dir doch bloß nicht immer Sorgen machen würdest. Ted ist in Ordnung, Mama.«
Sie schnaubte leise.
Unten am Fuß des Hügels blitzte Chrom auf, als Mr. Bidermans Mercury (nicht direkt vulgär, aber trotzdem ein echtes Schlachtschiff) aus der Commonwealth in ihre Straße einbog und zur Nummer 149 heraufkam.
»Da ist er, da ist er«, sagte seine Mutter. Ihre Stimme klang nervös und aufgeregt. Sie bückte sich. »Gib mir einen kleinen Schmatz, Bobby. Ich will dich nicht küssen und mir den Lippenstift verschmieren.«
Bobby legte ihr die Hand auf den Arm und küsste sie leicht auf die Wange. Er roch ihr Haar, ihr Parfüm, ihren Gesichtspuder. Er würde sie nie wieder mit derselben von keinem Schatten getrübten Liebe küssen.
Sie schenkte ihm ein vages kleines Lächeln, ohne ihn anzusehen, und schaute stattdessen zu Mr. Bidermans Mercury-Schlachtschiff hinüber, das anmutig über die Straße glitt und am Randstein vor ihrem Haus hielt. Sie streckte die Hände nach ihren beiden Koffern aus (zwei waren ganz schön viel für zwei Tage, fand Bobby. Vermutlich nahm das elegante Kleid viel Platz in einem davon ein), aber er hatte die Griffe bereits gepackt.
»Die sind zu schwer, Bobby - du wirst auf den Stufen stolpern.«
»Nein«, sagte er. »Werde ich nicht.«
Sie warf ihm einen unkonzentrierten Blick zu, winkte dann Mr. Biderman und stöckelte klackernd zum Wagen. Bobby folgte ihr. Er gab sich Mühe, nicht das Gesicht zu verziehen, obwohl die Koffer wirklich verdammt schwer waren was hatte sie da bloß drin, Kleider oder Steine?
Wenigstens schaffte er es, sie auf den Bürgersteig hinauszuschleppen, ohne anhalten und sich ausruhen zu müssen. Mr. Biderman war inzwischen ausgestiegen. Er gab seiner Mutter einen flüchtigen Kuss auf die Wange und schüttelte dann den Schlüssel für den Kofferraum heraus.
»Na, wie geht’s, Sportsfreund, wie läuft’s denn so?« Mr. Biderman nannte Bobby immer Sportsfreund. »Trag sie nach hinten, dann stell ich sie rein. Frauen müssen immer den kompletten Hausstand mitnehmen, was? Na, du kennst ja das alte Sprichwort - man kann nicht mit ihnen leben, man kann sie auch nicht erschießen, jedenfalls nicht außerhalb von Montana.« Er bleckte die Zähne zu einem Grinsen, das Bobby an Jack in Herr der Fliegen erinnerte. »Soll ich dir einen abnehmen?«
»Ich hab sie schon«, sagte Bobby. Er stapfte grimmig und mit schmerzenden Schultern hinter Mr. Biderman drein; sein Nacken brannte, und er begann zu schwitzen.
Mr. Biderman machte den Kofferraum auf, nahm Bobby die Koffer ab und schob sie zum übrigen Gepäck hinein. Neben ihnen schaute seine Mutter ins rückwärtige Seitenfenster und sprach mit den beiden anderen Männern, die mitfuhren. Sie lachte über etwas, was einer von ihnen sagte. Für Bobby klang das Lachen ungefähr so echt wie ein Holzbein.
Mr. Biderman schloss den Kofferraum und schaute zu Bobby hinunter. Er war ein schmächtiger Mann mit breitem Gesicht. Seine Wangen waren ständig gerötet. Man konnte seine rosa Kopfhaut in den Rillen sehen, die die Zähne seines Kamms hinterlassen hatten. Er trug eine Brille mit Goldrand und kleinen runden Gläsern. Für Bobby sah sein Lächeln so echt aus, wie das Lachen seiner Mutter geklungen hatte.
»Spielst du diesen Sommer Baseball, Sportsfreund?« Don Biderman bog die Knie ein bisschen durch und schwang einen imaginären Schläger. Bobby fand, dass er wie ein Vollidiot aussah.
»Ja, Sir. Ich bin bei den Wolves im Sterling House. Ich hatte gehofft, ich würde es zu den Lions schaffen, aber …«
»Gut. Gut.« Mr. Biderman schaute demonstrativ auf seine Armbanduhr - das breite goldene Gliederarmband blitzte im frühmorgendlichen Sonnenschein - und tätschelte Bobby dann die Wange. Bobby musste eine bewusste Anstrengung
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