Atlantis in London
ins Gesicht sehen konnte.
Mike wollte es nicht, gegen die Kraft der jungen Frau allerdings kam er nicht an. Grüne Kreise richteten sich auf ihn. Hart und brutal sahen die Augen der Frau aus.
Der Junge erschrak und hörte dann die leise, aber scharf gesprochene Frage: »Duschen oder in die Wanne?«
»Ich will du…« Er sprach das Wort nicht mehr zu Ende, denn Thelmas Augen leuchteten in einem noch intensiveren Grün.
»Wirklich?« fragte sie.
Mike senkte den Blick. »Nein, nein… ich will nicht duschen. Ich will in die Wanne.«
»Wie artig du bist.« Sie tätschelte seine Wange und schaute nach dem Wasser, das noch immer lief. Nur ein dünner Schaumstreifen verteilte sich auf der Oberfläche, und auch der Dampf hielt sich in Grenzen. Die Wassertemperatur war wirklich angenehm.
Mike ließ alles mit sich machen. Er zog sich freiwillig aus, und das Kindermädchen warf die blutbefleckte Kleidung in den Schacht, der direkt in den Keller führte, wo er in einen Bottich mündete, in dem die schmutzige Wäsche gesammelt wurde.
»Komm, ich helf dir, mein Kleiner«, sagte Thelma mit seidenweicher Stimme. Mike ließ sich anfassen. Er lachte sogar, als er in das warme Wasser hineinglitt.
»Und jetzt, mein kleiner Liebling, hole ich den großen Schwamm. Der wischt alles weg.«
»Oh, darf ich?«
»Aber sicher.«
»Aber keine Seife.«
»Erst später.«
Mike konnte den Schwamm mit seinen kleinen Händen kaum festhalten. Er tauchte ihn unter, ließ ihn voll saugen und hob ihn wieder aus dem Wasser, um ihn über seinem Kopf auszudrücken.
Thelma schaute zu. Sie lächelte. Ihre Augen blickten wieder normal. Und auch der Junge lächelte sie an.
»Sag mir eines, Mike. Hast du mich lieb? Magst du mich sehr?«
Er strahlte über sein gesamtes Gesicht und schlang die Arme um Thelmas Nacken. »Ja, ich mag dich. Ich mag dich sehr! Ich habe dich richtig lieb, Thelma…«
Ihre Augen konnte er nicht sehen. Wieder glühten sie grün auf. Nahe an seinem Ohr flüsterte sie: »Das wird heute Nachmittag ein wunderbarer Geburtstag, mein Kleiner…«
***
Betty Hazelwood hatte geduscht. Es war für sie wie eine Erlösung gewesen, obwohl sie sich gleichzeitig Vorwürfe machte, dass sie sich nicht um den Kleinen gekümmert, sondern ihn dem Kindermädchen überlassen hatte. Als Mutter wäre es normalerweise ihre Pflicht gewesen, doch auch für Mütter gab es Grenzen, und sie schüttelte sich, als sie daran dachte, wie alles ausgesehen hatte. Überall Blut und dieser widerliche Blutgeruch.
Er war wie eine Säure, und er peitschte Ekelgefühle in ihr hoch. Das Bad besaß die Größe eines kleinen Tanzsaals. Es wirkte wie Wohnraum und Kosmetiksalon zusammen, war hell gekachelt und roch stets frisch durch den Umwälzer, der für saubere Luft sorgte.
Hazel schüttelte ihr Haar aus, das sie unter einer Duschhaube verborgen gehabt hatte. Vom Bad aus betrat sie das Schlafzimmer, vor dessen Fenster die grelle Märzsonne förmlich explodierte. Auf einem Kindergeburtstag brauchte man nicht elegant zu sein, auch als Gastgeberin nicht.
Die Frau entschied sich für bequeme Kleidung. Sie schlüpfte in ihre roten Jeans. Das weiße T-Shirt passte zu allem, und die moderne Weste zeigte einen funkelnden Strassschmuck an den Seiten. Sie legte einen leichten Rougefilm auf, um die Schatten des Schreckens in ihrem Gesicht zu überdecken. Dann zeichnete sie noch mit einem feinen Pinsel ihre Lippen nach, wobei sie den Mund verzog und auch die ersten Fältchen auf der Haut sah, die ihr überhaupt nicht gefielen. Natürlich wollte sie sich auch um Mike kümmern. Schließlich musste sie wissen, wie der Junge den fürchterlichen Vorfall überstanden hatte. Aber sie hatte unter der Dusche noch eine zweite Entscheidung getroffen. Bevor Ken es aus zweiter Hand erfuhr, wollte sie ihm erzählen, was sich im Haus zugetragen hatte.
Wenn er nach einer Erklärung fragte, würde sie passen müssen. Die hatte Betty trotz intensiven Nachdenkens nicht herausgefunden. Sie nagte auf der Unterlippe, als sie über dieses Problem nachdachte. Es würde nicht einfach sein, Ken von den Tatsachen zu überzeugen. Wenn er hörte, dass sich Mike in Gefahr befunden hatte, würde er durchdrehen, denn Mike war sein Liebling.
Sie zupfte noch an ihren Haaren, lächelte sich im Spiegel zu und hoffte, dass es nicht zu gezwungen aussah. Kinder waren sehr kritisch. Sie merkten, wenn etwas nicht stimmte.
Auch im Schlafzimmer stand ein Telefon. Betty nahm auf dem Bett Platz. Wohl fühlte sie
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