Atlantis in London
Hazelwood.« Er ging mit ihr auf die Tür zu. »Eine Frage hätte ich trotzdem noch.«
»Bitte.«
»Wo finde ich Ihren Sohn? Ich möchte gern mit ihm reden, um mir ein eigenes Bild machen können.«
Eine Hand hatte sie bereits auf die Klinke gelegt. Die Nägel waren dunkelrot lackiert. Es sah so aus, als würden Blutstropfen auf dem Metall kleben. »Er wird in seinem Zimmer sein.«
»Allein oder mit Thelma?«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen. Sie ist mir in der letzten halben Stunde nicht mehr über den Weg gelaufen. Ich hatte ihr nur gesagt, dass sie Mike etwas anderes anziehen soll.«
»Danke.«
»Warten Sie, ich zeige Ihnen den Weg. Sie müssen die Treppe hochgehen.«
Das konnte Suko von der kleinen Halle aus. Freischwebend wand sich die Treppe nach oben. Breite Stufen sorgten für einen sicheren Tritt. Die kleine Halle strahlte ebenfalls eine Gemütlichkeit aus, die Suko gefiel. Er hatte auch Spaß an der übergroßen Vase, aus deren Öffnung große Pflanzenstiele wuchsen.
Suko ließ sich noch die Lage der Zimmertür beschreiben und ging allein hoch. Mrs. Hazelwood verschwand im Garten, weil sie dort noch einiges zu bereden hatte.
Sehr wohl fühlte Suko sich nicht. Er kam sich eher vor wie ein Eindringling, der den Zusammenhalt einer Familie gestört hatte, ohne dass ein Grund vorhanden gewesen wäre.
Bisher hatte er noch keinen Beweis gefunden, dass sich hinter der Maske eines harmlosen Kindermädchens eine dämonische Person aus einem längst versunkenen Kontinent befand.
Auf dem Flur in der ersten Etage, der ebenfalls sehr hell war, hörte er seine Schritte nicht. Dafür eine lachende Kinderstimme. Sie drang hinter einer Tür auf der rechten Gangseite auf. Suko nahm an, dass sich dahinter das Kinderzimmer befand.
Er war froh, dass Mike so lachte, denn das zeugte davon, dass es ihm auch gut ging. Vor der Tür blieb er zunächst stehen und spitzte seine Ohren, weil er noch lauschen wollte.
Sehr schnell hatte Suko heraus gefunden, dass Mike nicht allein war. Er sprach mit einer erwachsenen Person. Als der Name Thelma fiel, wusste Suko, wer gemeint war. So etwas wie Spannung überkam ihn, als er daran dachte, dass er ihr bald gegenüberstehen würde. Und er dachte darüber nach, wie sie sich wohl verhalten würde.
»Thelma, warum sollen die Tiere alle weg?«
»Nur nach draußen in den Garten, Mike.«
»Alle?«
»Ja.« Sie lachte. »Schau mal, ich möchte doch, dass es ihnen gut geht. Da können sie frische Luft atmen, da sind sie…«
»Aber sie sind immer hier gewesen.«
»Das ist doch egal. Man muss mal was Neues machen. Du glaubst gar nicht, wie deine Gäste schauen werden, wenn sie all deine Freunde auf der Wiese sehen, die dir zum Geburtstag gratulieren wollen. So etwas hat es noch nie gegeben.«
»Meinst du…?«
»Aber klar doch, Mike. Wir sollten es so machen. Ich werde dir auch helfen, die Tiere zu tragen. Ich habe doch den großen Karton extra dafür mitgebracht.«
»Aber Brummo nehme ich selbst.«
»Das kannst du auch. Es wäre schlimm, wenn du dich von deinem Lieblingsteddy trennen würdest.«
»Wird er denn wieder bluten?«
Suko hörte das leise Lachen durch die Tür schallen. Er wusste nicht, wie er es einordnen sollte. »Ich glaube nicht, Mike. Du musst ihn nur ganz lieb haben.«
»Aber das habe ich doch.«
»Klar, und jetzt packen wir die anderen Freunde hier in den großen Karton. Dabei kannst du mir helfen.«
Suko hatte genug gehört. Er wunderte sich allerdings darüber, dass Thelma unbedingt sämtliche Stofftiere mit auf die Wiese nehmen wollte. Aus Spaß an der Freude tat sie das bestimmt nicht. Da mussten handfeste Gründe dahinterstecken.
Er klopfte. Sogar ziemlich laut. Die Stimmen verstummten schlagartig. Suko wartete nicht länger, sondern drückte die Tür auf. Er betrat das Zimmer, in dem zwei Personen auf dem Boden hockten, zwischen sich eine Kiste. Um sie herum lagen kleine Stofftiere verteilt, einige von ihnen befanden sich schon im Karton.
Zwei Gesichter drehten sich ihm zu. Ein rundes Jungengesicht mit großen, staunenden Augen und das des Kindermädchens Thelma, einer blassen, farblos wirkenden Person mit rötlichblonden Haaren und zahlreichen Sommersprossen. Die Farbe der Augen konnte Suko nicht genau erkennen, weil das Fenster etwas abgedunkelt war.
»Hallo…« sagte er und lächelte den Jungen an.
»Wer bist du denn? Ein Chinese?«
»Richtig.«
»Kommst du dann aus China?« Der Kleine stand auf. »Ich habe etwas im Fernsehen gesehen
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