Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Atme nicht

Atme nicht

Titel: Atme nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer R. Hubbard
Vom Netzwerk:
draufging.« Nicht dass ich je Körbe geflochten oder Elektroschocks bekommen hätte. Doch Nicki redete weiter, ohne auf meine Bemerkung einzugehen.
    »Du solltest sie fragen«, sagte sie.
    »Vergiss es.«
    »Wieso denn? Geht sie schon mit jemand? Steht sie auf Mädchen? Will sie Nonne werden?«
    »Nein.«
    »Na also.« Sie streckte die Hand aus, um die zwei lackierten Fingernägel zu bewundern.
    Ich fuhr mir mit der Zunge über die Unterlippe. Allmählich bedauerte ich es, hierhergekommen zu sein. Musste sie unbedingt mein nicht vorhandenes Liebesleben analysieren? Wie waren wir eigentlich auf dieses Thema gekommen? »Sie wohnt zu weit weg«, erwiderte ich.
    »Wo denn?«
    »In Pendleton.«
    Nicki runzelte die Stirn. »Das ist nur drei Stunden von hier.«
    »Mit dem Auto. Und ich hab keins.«
    Sie seufzte. »Du gibst zu schnell auf«, stellte sie in oberlehrerhaftem Ton fest – was in bizarrem Kontrast zu ihren schmutzigen nackten Füßen, dem zu kleinen, mit lustigen Nilpferden bedruckten T-Shirt und dem knalligen Nagellack stand. »Wenn du im Leben was erreichen willst, musst du die Initiative ergreifen. Du musst hartnäckig sein.« Sie nahm eine Flasche mit Nagellack und schüttelte sie. »Wie ich zum Beispiel – ich suche nach einem anderen Medium.«
    Ich stieß ein Stöhnen aus.
    »Das meine ich ernst. Ich werd schon jemand Besseres finden. War doch irgendwie blöd, anzunehmen, ausgerechnet in Seaton, am Arsch der Welt, würde ein Medium wohnen, das was taugt.«
    »Nicki«, sagte ich so sanft wie möglich. »Warum gibst du diese Sache nicht auf?«
    »Weil ich meinen Dad geliebt habe. Und mit ihm sprechen will. Weil ich, wie ich gerade gesagt habe, nie aufgebe.«
    Tja, darauf konnte man nicht viel erwidern. Höchstens, dass das alles völlig sinnlos war.
    Sie trug Lack – diesmal irgendeine gräuliche Farbe – auf den Nagel ihres Mittelfingers auf. Auf der Flasche konnte ich das Wort »Zinn« entziffern, ein treffender Name für etwas so Hässliches.
    »Ich werde dich zu Val bringen«, verkündete sie.
    »Was?«
    »Wir nehmen Matts Truck. Ich fahre, denn du kannst bestimmt keinen Truck fahren. Du brauchst nur das Benzin zu bezahlen. Und wenn wir da sind, werde ich dir sogar verraten, was du Val sagen musst, falls du das auch nicht allein auf die Reihe kriegst.« Sie wedelte die Hand mit dem frisch lackierten Fingernagel hin und her.
    »Du kannst doch gar nicht fahren.«
    »Natürlich kann ich das, auch wenn ich für einen Führerschein noch zu jung bin. In unserer Familie lernt man mit dreizehn Auto fahren. Ich mach das ständig.«
    »Wir werden nicht zu Val fahren.« Ich sehnte mich so nach ihr, dass meine Nerven anfingen zu vibrieren, als Nicki mir ihren Plan unterbreitete. Trotzdem war ich nicht so verrückt, in Matt Thorntons Klapperkiste zu steigen und mich auf eine illegale Fahrt mit einem Mädchen einzulassen, deren Fingernägel zehn verschiedene Farben hatten und deren Hauptziel im Leben darin bestand, den Geist ihres verstorbenen Vaters aufzuspüren.
    »Doch, werden wir.«
    »Warum willst du das überhaupt machen?«
    »Erstens mal, weil ich dir was schuldig bin. Du bist ja auch zu dem Medium mitgekommen.«
    »Aber …«
    »Zweitens fahre ich gern Auto. Macht mir Spaß.«
    Und es macht dir Spaß, andere zu manipulieren, dachte ich bei mir.
    »Außerdem musst du unbedingt aufhören, dich insgeheim nach diesem Mädchen zu verzehren. Tut richtig weh, das mit anzusehen.«
    »Ich verzehre mich nicht insgeheim .« Gott, wie ich das hasste, weil es mich an Amy Trillis erinnerte. Ich war so aufgewühlt, dass ich fast ein Kissen nach Nicki geworfen hätte. »Kümmere dich lieber um deine eigenen Angelegenheiten.«
    » Willst du denn nicht hinfahren?« Sie drehte sich zu mir um. »Wie lange kann man es denn durchhalten, etwas zu wollen und nichts dafür zu tun? Das ist wie …«
    Sie verstummte. Ihre Worte hallten in meinen Ohren wider. Darum ging es in meinem ganzen Leben und das wusste sie: um Wollen statt um Tun. Um diese verdammte Unentschlossenheit.

10
    Mitten in der Nacht wurde ich von einem dumpfen, rhythmischen Stampfen aus dem Schlaf gerissen. Ich drehte mich auf die andere Seite und hoffte, die Geräusche würden wieder aufhören, was sie aber nicht taten. Immer stärker drang dieses Stampfen in mein Bewusstsein, bis ich schließlich hellwach war und zur Decke hochstarrte. Die Geräusche waren mir vertraut, obwohl ich sie nicht einordnen konnte und nicht wusste, warum ich sie ausgerechnet

Weitere Kostenlose Bücher