Atomvulkan Golkonda
sich quälen? Das Werk ist getan. Weit hinter ihnen tanzen die Lichtreflexe der Golkonda auf dem blanken Stahl der Sendetürmchen. Bald, vielleicht sehr bald, werden Raumschiffe hier landen, und muntere, frohe Menschen werden zum Sturm auf die Venus ansetzen. Starke, gesunde Menschen, die viel frischen, kühlen Zitronensaft trinken. Und die Golkonda wird sich ergeben ... Was haben die beiden schattenhaften Gestalten in Siliketanzügen damit zu tun? Was hindert sie, in den Sand zu sinken, sich nach Herzenslust an dem kühlen Nass zu laben und einzuschlafen ...?
So ist es ... Schön wär’s, die matten Glieder auszustrecken, sich satt zu trinken, einzuschlafen. Soll doch der schwarze Wind einen Sandhügel über ihnen zusammenwehen ... Ganz einfach und verteufelt verlockend. Zuallererst aber die zentnerschwere Maschinenpistole vom Hals weg! Zum Teufel damit! Was nützt sie hier in dem toten Sand? Hier ist längst alles ausgestorben. Es ist doch ganz klar: Am besten legt man sich in dieser Wüste hin, trinkt sich satt – es ist noch über ein halber Liter Saft im Thermosbehälter! – und wartet, dass einen der Sand zuweht.
Freilich, sie haben noch den Sumpf vor sich. Dort ist eine Waffe unentbehrlich. Und dort, in der Chius , sitzt Michail Antonowitsch. Er hat Wasser – viel Wasser! – und Limonade – viel kalte, sprudelnde Limonade! –, aber er muss allein dort sitzen und warten. Sie werden sich hier hinlegen und einschlafen, er jedoch wird warten, wird nicht schlafen können und am Funkgerät sitzen. Er wird nicht ohne sie die Venus verlassen, er wird nicht starten, solange er keine Nachricht von ihnen hat. Vielleicht wird er sich sogar entgegen allen Instruktionen aufmachen, um sie zu suchen ... Er weiß ja nicht, dass man hier ohne einen großen, sehr großen Vorrat an frischem, kühlen Nass nicht leben kann ...
Man darf sich nicht hinlegen! Grischa muss zur Chius gebracht werden. Michail Antonowitsch wartet, wartet treu und fest und glaubt an sie. Auch Krajuchin wartet und Machow und dieser kaltblütige Ingenieur vom Ziolkowski und das Mädchen in Aschchabad. Und alle Menschen und das ganze riesige ferne Land. Wie viele Menschen auf sie warten! Also brauchen viele sie, sehr viele. Das Schlimmste im Leben ist es, zu warten und nachzulaufen. Sie werden erwartet, sie laufen nach. Sie laufen dem entschwindenden Leben nach, und sie dürfen sich nicht hinlegen. Sie müssen gehen, weil sie erwartet werden, weil sie gebraucht werden, weil sie noch hierher zurückkehren werden – unbedingt! –, weil es sehr gut ist zu leben, weil zu leben das Beste auf der Welt ist. Sie müssen gehen, weil sie es schaffen werden, es unbedingt, ohne jeden Zweifel schaffen werden, und es wäre sehr schändlich, wenn sie sich hier hinlegten und einschliefen, obwohl sie es doch schaffen können. Das wäre ungeheuer schändlich. Und darum müssen sie. Wer nicht will, muss!, hatte Johannytsch immer gesagt.
Bykow stolpert und fällt natürlich hin. Wenn man stolpert, fällt man unbedingt. Weil sie schon über vierundzwanzig Stunden durch tiefen Sand waten und der Wind so heftig bläst, dass sie sich nur mit Mühe auf den Beinen halten können. Gegessen haben sie während der letzten zwei Tage einmal. Und getrunken auch nur einmal. Jurkowski stolpert, lässt Dauge fallen. Bykow will ihm auf die Beine helfen. »Zum Teufel!«, röchelt der Geologe. Wieso »zum Teufel«, wenn sie doch unbedingt ans Ziel kommen werden? Wenn nur noch hunderttausend Schritte zurückzulegen sind ... oder vielleicht etwas mehr? Bykow lässt sich neben Jurkowski in den Sand nieder und wartet. He, du schwindelst, Bruder, du wartest nicht, du ruhst dich aus! Und du ruhst dich zur falschen Zeit aus, also vergeudest du Zeit, und Zeit ist Wasser, Wasser aber ist Leben. Bykow stößt Jurkowski an. Dieser stöhnt.
»Aufstehen, Wladimir Sergejewitsch. Was noch übrig bleibt, ist nicht der Rede wert!«
Jurkowski ströhnt und regt sich nicht. Bykow beugt sich über ihn, findet tastend den Sauerstoffhahn, dreht ihn für ein paar Sekunden auf. Jurkowski atmet gierig, dann erhebt er sich wankend. Bykow stützt ihn ...
Ein Schritt, zwei, drei, sieben, zehn ... Nein, Zählen hat keinen Sinn. Zehn – und fünfzigtausend! Lächerlich! Aber immerhin keine hundertfünfzigtausend mehr. Sind drei Tage vergangen – oder vier? Verdammt! Bykow merkt, dass er das Zeitgefühl verloren hat, aber das ist wichtig, sehr wichtig! Vielleicht sind dann nicht fünfzigtausend übrig,
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