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Atomvulkan Golkonda

Atomvulkan Golkonda

Titel: Atomvulkan Golkonda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkadi & Boris Strugatzki
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Lippen bewegten sich kaum merklich. »Ma-scha ...«, verstand Bykow. Und dann noch: »Kalt ... Weh ... Ma-scha.«
    Ein Zittern lief durch den kleinen, sehnigen Körper, ein starkes Zittern wie von durchdringender Kälte.
    Bykow nahm den kraftlos baumelnden behelmten Kopf in die Hände und drückte ihn an seine Brust. Dauge verstummte.
    »Ist er tot?«, fragte Jurkowski mit fremder Stimme.
    »Ich weiß nicht.«
    »Er ist tot, tot. Grigori Johannowitsch Dauge, der bekannte sowjetische Geologe und Kosmonaut, starb beim Sturm auf die Venus. Johannytsch ist tot.«
    »Er ist nicht tot«, sagte Bykow, der dem schwachen Atem lauschte.
    Jurkowski trat zur Luke und sagte leise: »Sechs Jahre waren wir zusammen ... Der Mond, die Marswüsten ... Sechs Jahre ...«
    Mit einer jähen, unerwartet heftigen Bewegung riss er die Luke auf. Ringsum war es finster. In weiter Ferne grollte die Golkonda, unter der eigenen Kraft bebend, über ihr stand ein rauchiger, von grellen Blitzen durchzuckter Schein ...

Hundertfünfzigtausend Schritte

    Jetzt waren sie nur noch drei.
    Mit Mühe zogen Bykow und Jurkowski den bewusstlosen Dauge aus der Schleusenkammer. Dann standen sie eine Weile reglos vor dem Wrack des Knaben , unfähig, den grausigen Ort zu verlassen. Der Boden bebte in der gewohnten Weise. Der rote Belag war verschwunden. Sie sahen noch die Reste des roten Teppichs am Rande des Trichters über der unterirdischen Explosion, vielleicht zwanzig Meter vom Knaben entfernt: Die rote Masse zog sich gierig und eilig in den bodenlosen Explosionskrater hinein; langsam erlosch der violette Schein. Es wurde dunkler. Bykow hob die Maschinenpistole für eine Ehrensalve, ließ sie aber nach einiger Überlegung wieder sinken. Sie hatten nur noch ein Signalmagazin – sechzig Patronen –, und vor ihnen lag ein hundert Kilometer langer Weg durch die Wüste, durch die Schlucht, über den Sumpf ... Hundert Kilometer, hunderttausend Meter, hundertfünfzigtausend Schritte – und jeder von ihnen barg Ungewisses.
    »Salut!«, forderte Jurkowski mit heiserer Stimme, und Bykow riss die MPi hoch, gab einen spärlichen Feuerstoß ab.
    Aus Resten des Selen-Cer-Stoffes, die sie in der Schleusenkammer fanden, verfertigten sie eine Art Tragbahre. Der geschmeidige feste Stoff reichte auch noch, um Dauge damit bis zum Hals einzuwickeln.
    Gebeugt unter dem steifen, heftigen Wind schritten sie jetzt durch die pechschwarze Finsternis. Ab und zu erhellte kaltes blaues Leuchten den Himmel, und dann sah Bykow Dauges Helm vor sich auf der Trage und Jurkowskis wankenden Rücken, den toten Sand ringsum und die niedrigen lichtgeäderten Wolken. Nach und nach erlosch der blaue Schein, und wieder Finsternis, zäher Sand unter den Füßen, das Heulen des Windes ...
    Sie redeten nicht. Das Atmen fiel ihnen schwer, weil sie mit dem flüssigen Sauerstoff sparten und nur die vom Filter durchgelassene Außenluft atmeten. Sie war heiß und sauerstoffarm, sie würgte und rief ein krampfhaftes Gähnen hervor ... Nein, Reden war unmöglich. Nur bei den seltenen und kurzen Rastpausen, wenn der eine halb schlafend, halb ohnmächtig dalag, mochte der andere, der neben ihm mit der MPi auf den Knien Wache hielt, vielleicht die veränderte, sinnlos murmelnde Stimme des Kameraden hören. Sie konnten nicht reden, doch es wäre besser gewesen, sie hätten nicht denken können.
    Durst! Der Mund ist ausgetrocknet. Lippen und Zunge sind fühllos geworden, die Kehle scheint mit Sand und Staub vollgestopft, die Zunge ist wie ein schwerer, trockener Stein. Der versengte Körper brennt wie Feuer, Feuer auf der Haut, im Mund, in der Lunge ... Durst! Und hier, ganz dicht vor den Lippen – man braucht nur ein wenig den Kopf zu neigen – gibt es kühlen Zitronensaft, säuerlich, duftend ... Man braucht nur den Kopf ein wenig zu neigen, das kühle Ebonitröhrchen zwischen die ausgetrockneten Lippen zu nehmen, daran zu saugen ... Süße, Feuchtigkeit ... Bykow spürt das glatte Ebonit sogar schon an den Zähnen ... Nur einen Schluck, einen einzigen Schluck ... Nur die Zunge anfeuchten ...
    »Jurkowski, du Mistkerl! Trinkst du schon wieder! Aufhören!«
    Jurkowski krächzt wütend. Nein, man darf nicht, Wowa ... Hundertfünfzigtausend Schritte. Mindestens hunderttausend liegen noch vor ihnen. Und Grischa ... Bykow fährt sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. Oder bildet er sich das nur ein? Fünf Zentimeter vom Gesicht entfernt das kühle schwarze Mundstück ...
    Wozu eigentlich das alles? Gehen,

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