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Atomvulkan Golkonda

Atomvulkan Golkonda

Titel: Atomvulkan Golkonda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkadi & Boris Strugatzki
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Alter! Ein Scharlatan, Alchimist, Idealist, Phantast!« In allen Winkeln wurde gekichert: »Hi-hi-hi ...! Ein absoluter Reflektor! Schmeißt doch Erbsen gegen die Wand, dann habt ihr ihn! Ein absoluter Reflektor, hoho! Und der Schraiber, haben Sie das gehört? Er soll den albernen Einfall bei einem Franzosen ... Sie wissen schon! Ein absoluter Plagiator, haha, hihi ...« »Schafsköpfe, wenn nicht gar Schlimmeres!«, schimpfte damals Krajuchin. Ein furchtbarer Kampf entbrannte. Krajuchin wäre beinahe seines Postens enthoben worden. Und das Endergebnis? Hier war es – der »absolute Reflektor«, Chius versus Venus! ... Michail Antonowitschs Lateinkenntnisse waren damit zu zwei Dritteln erschöpft, und er rieb sich zufrieden die Hände ... Chius versus Venus! Bis jetzt war alles glattgegangen! Toi, toi, toi!
    Am neunzehnten Tage nach der Abfahrt des Knaben fühlte sich Michail Antonowitsch sehr schlecht. Eine menschliche Stimme weckte ihn. Schweißgebadet sprang er von der Koje und spähte lange in das Halbdunkel der Kabine, bis er endlich begriff, dass er im Schlaf gesprochen hatte und davon aufgewacht war. Sein Kopf schmerzte, in den Fingerspitzen stach es wie mit tausend Nadeln. Unwiderstehlich zog es ihn ins Bett zurück. Er schlummerte wieder ein, und als er dann erwachte, nahm er das Thermometer und maß die Temperatur. Sie war normal.
    »Steh auf, erhebe dich, Arbeitervolk ...«, sang er mit misstönender Stimme, und es fiel ihm ein, dass er dieses Lied immer gesungen hatte, wenn er sich nicht wohlfühlte und es vor seiner Frau verbergen wollte. Während einer Expedition war es ihm allerdings noch nie über die Lippen gekommen. Was konnte schlimmer sein, als jetzt, in völliger Einsamkeit, zu erkranken?
    Er zwang sich zum Aufstehen, wankte durch den Gang in den Steuerraum und setzte sich ans Funkgerät. Der Knabe antwortete nicht.
    »Ich muss an die Luft«, sagte Michail Antonowitsch laut zu sich selber. »Wer krank ist, muss an die Luft.«
    Mit unsicherem Schritt verließ er den Steuerraum. Vor der Kabine, in der die Spezialanzüge aufbewahrt wurden, blieb er stehen. Er schaute sich um: Die Kugellampen füllten den Gang mit warmem Licht, an den Metallwänden zeichneten sich noch hier und da braune Flecken ab – die Spuren des rostbraunen Schimmels, der vor drei Wochen ins Raumschiff eingedrungen war. Seine Hände zitterten, und der Anzug fiel mit einem scharfen Rascheln zu Boden. Fast physisch empfand Michail Antonowitsch die Stille, die in den leeren Gängen und Kabinen lauerte – eine erwartungsvolle Stille, die Stille der Einsamkeit.
    »Nichts als hinaus an die Luft«, murmelte er, während er in den Spezialanzug stieg.
    Mit Mühe erreichte er die obere Schleusenkammer. Der Helm, der sonst kaum zu spüren war, drückte ihm die Schultern nieder, die Hände öffneten mit Mühe die Luke. Im letzten Augenblick dachte er irgendwie gleichgültig daran, dass er eine unglaubliche Dummheit beging, sich in solch einem Zustand in die Schleuse zu begeben, doch der Gedanke floss träge vorüber und verschwand. Der Lukendeckel klappte zur Seite, und Michail Antonowitsch fiel eher auf den Rand der breiten Öffnung, als dass er sich darauf stützte.
    Der Nebel hatte sich aufgelöst. Der Himmel über dem Raumschiff war dunkel, ringsum aber breitete sich, so weit das Auge reichte, eine schwach phosphoreszierende Ebene aus.
    Er schob die klebrigen Pflanzenstängel beiseite, die das Schiff eingehüllt hatten, riss sie wütend ab – sie versperrten ihm die Sicht. Finsternis, Leere ...
    »Leere ...«, flüsterte der Navigator. Noch nie hatte ihn die Sehnsucht nach Menschen mit solcher Macht ergriffen. Einsamkeit! Dutzende von Kilometern, Finsternis, und kein einziges menschliches Wesen weit und breit – nur abscheuliches Sumpfgezücht. Leere ...
    Plötzlich erglühte der Horizont in purpurrotem Schein. Der Schein kam näher, wuchs, verschlang die Finsternis. Die Umgebung füllte sich mit unheilvollem roten Licht, und Michail Antonowitsch schrie auf. Er glaubte eine Sandwüste vor sich zu sehen. Der Wind trieb Wolken feurigen Staubes darüber hinweg, weiß und kahl ragten runde Felsbrocken aus der Sandschicht hervor, und über dieser winderfüllten Ebene stand eine gewaltige Windhose – absolut reglos, furchterregend, kompakt. Die Erscheinung verharrte vor ihm, dann erbebte sie, bäumte sich auf (Michail Antonowitsch klammerte sich an den Lukenrand – es schien ihm, als wanke nicht die Erscheinung, sondern er selbst

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