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Atomvulkan Golkonda

Atomvulkan Golkonda

Titel: Atomvulkan Golkonda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkadi & Boris Strugatzki
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nickte.
    Bykow wanderte durch das Zimmer und blieb vor drei an der Wand hängenden Stereofotos stehen. Das linke stellte eine enge alte Gasse in irgendeiner baltischen Stadt dar, das rechte – ein interplanetares Schiff, das einer kolossal vergrößerten Gewehrpatrone aus der Zeit des Großen Vaterländischen Krieges glich und mit dem spitzen Bug in den schwarzen Himmel stach. Auf der mittleren Fotografie war eine melancholisch dreinschauende junge Frau in einem hochgeschlossenen blauen Kleid abgebildet.
    »Wer ist das, Johannytsch? Deine Frau?«
    »N-ja ... Eigentlich nein«, sagte Dauge lustlos. »Das ist Mascha Jurkowskaja, Wolodjas Schwester. Wir haben uns getrennt ...«
    »Ach so, entschuldige bitte ...«
    Bykow biss sich auf die Unterlippe, kehrte zum Sessel zurück und setzte sich wieder.
    Wahllos blätterte Dauge in einem vor ihm liegenden Buch. »Eigentlich hat sie mich verlassen ..., um es genau zu sagen ...«
    Bykow schaute aufmerksam in das hagere braungebrannte Gesicht des Freundes. In dem blauen Lampenschein sah es fast schwarz aus.
    »Weißt du, ich kann auch nicht schlafen, Alexej«, gestand Dauge mit trauriger Stimme. »Paul tut mir leid. Hab zu dieser Fahrt auch keine große Lust. Ich liebe die Erde, liebe sie sehr! Sicher glaubst du, alle Raumfahrer seien überzeugte Himmelsbewohner? Stimmt nicht. Wir alle lieben die Erde und sehnen uns nach dem blauen Himmel. Diese Sehnsucht ist unsere Krankheit. Da sitzt man irgendwo, meinetwegen auf dem Phobos. Der Himmel – bodenlos schwarz. Die Sterne – wie Diamantnadeln, stechen förmlich in die Augen. Die Sternbilder kommen einem fremd und ungewohnt vor, und alles ringsum ist künstlich – die Luft, die Wärme und sogar das eigene Gewicht ...«
    Bykow hörte zu, ohne sich zu rühren.
    »Das alles ist dir unbekannt. Du schläfst nur deshalb nicht, weil du das Gefühl hast, an der Schwelle zu stehen: ein Fuß hier, der andere dort. Jurkowski aber, der sitzt jetzt und schreibt Verse. Über den blauen Himmel, über wallende Nebel, über weiße Wolken, die sich im See spiegeln. Schlechte Verse, in jeder Redaktion gibt es kiloweise davon, das weiß er genau. Und dennoch schreibt er.«
    Dauge klappte das Buch zu und lehnte sich, den Kopf im Nacken, im Sessel zurück.
    »Und der dicke Krutikow, unser Navigator, saust jetzt bestimmt im Wagen durch Moskau. Mit Frau. Sie am Steuer. Er sitzt daneben und wendet keinen Blick von ihr. Er bedauert, dass sie die Kinder nicht bei sich haben. Seine Kinder leben nämlich in Nowosibirsk bei der Großmutter. Ein Junge und ein Mädelchen. Nette Kinder ...« Dauge lachte plötzlich hell auf. »Wer aber schläft, das ist Bogdan Spizyn, unser zweiter Pilot. Er hat sein Zuhause in der Rakete. ›Ich fühle mich auf der Erde wie in der Eisenbahn‹, sagt er. ›Immer möchte ich mich hinlegen und schlafen und erst daheim wieder aufwachen.‹ Bogdan ist ein Himmelsbewohner. Es gibt unter uns Menschen, die für ihr ganzes Leben wie vergiftet sind. Bogdan ist auf dem Mars geboren, in dem Forschungsstädtchen an der Großen Syrte. Als er fünf Jahre alt war, erkrankte seine Mutter, und beide wurden zur Erde gebracht. Und eines Tages – so wird erzählt – ließ man den kleinen Bogdan auf die Wiese hinaus. Er watschelte eine Weile hin und her, geriet dann in eine Pfütze und brüllte plötzlich los: ›Ich will nach Hause! Auf den Mars!‹«
    Bykow lachte. Er spürte, wie die schwere Last unbegreiflicher Gefühle von seiner Seele wich. Alles war sehr einfach, er stand tatsächlich auf der Schwelle – mit dem einen Fuß noch hier, mit dem anderen schon »dort«.
    »Nun, und was macht unser Kommandant?«
    Dauge straffte sich. »Ich weiß nicht. Kann’s mir einfach nicht vorstellen ... Weiß nicht.«
    »Wahrscheinlich schläft er, ebenso wie Bogdan, der Himmelsbewohner ...«
    Dauge schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht ... Ist der Himmel jetzt klar?«
    »Nein, bezogen ...«
    »Na, dann weiß ich es erst recht nicht.« Dauge zuckte die Achseln. »Ich könnte mir vorstellen, dass Anatoli Jermakow jetzt dasteht und zu dem hellen Stern über dem Horizont schaut. Zur Venus. Und seine Hände ...« Dauge machte eine kleine Pause. »Seine Hände sind zu Fäusten geballt, die Knöchel weiß.«
    »Du hast keine schlechte Phantasie, Johannytsch!«
    »Nein, Alexej, das ist keine Phantasie. Für uns andere ist die Venus gewissermaßen die nächste Etappe. Wir waren auf dem Mond, auf dem Mars und sind jetzt im Begriff, einen neuen Planeten

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