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Atomvulkan Golkonda

Atomvulkan Golkonda

Titel: Atomvulkan Golkonda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkadi & Boris Strugatzki
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zu erobern. Wir tun unsere Arbeit, weiter nichts. Jermakow aber ... Jermakow hat einige Rechnungen mit der Venus zu begleichen – alte, grimmige Rechnungen. Ich sage dir, warum er mitfliegt: Er fliegt, um Rache zu nehmen, um zu unterwerfen – unbarmherzig und für immer. So stelle ich mir das vor ... Er hat der Venus den Kampf auf Leben und Tod angesagt ...«
    »So gut kennst du ihn?«
    Dauge hob die Schultern. »Nein. Aber was macht das? Ich fühle es. Überleg nur« – er begann an den Fingern abzuzählen –, »den Japaner Nishijima, seinen Freund, Sokolowski, seinen besten Freund, Shi Fenyu, seinen Lehrer, Jekaterina Romanowna, seine Frau – sie alle hat die Venus verschlungen. Krajuchin ist sein zweiter Vater. Krajuchins letzter Flug ging zur Venus. Nach diesem Flug haben ihm die Ärzte das Fliegen für immer verboten ...«
    Dauge sprang auf und durchmaß mit schnellen Schritten das Zimmer.
    »Bändigen und unterwerfen«, wiederholte er. »Erbarmungslos und für immer. Für Jermakow ist die Venus die unnachgiebige, bösartige Verkörperung aller dem Menschen feindlich gesinnten Naturgewalten. Ich bezweifle, ob es uns jemals gegeben sein wird, dieses Gefühl zu begreifen. Und vielleicht ist es auch ganz gut so. Um das nachzuempfinden, muss man kämpfen, wie Jermakow es getan, und leiden, wie er gelitten hat ... Unterwerfen für immer ...«, wiederholte Dauge nachdenklich.
    Bykow bewegte die Schultern, als ob ihn fröre.
    »Deshalb habe ich auch das von den geballten Fäusten gesagt.« Dauge blickte Bykow scharf in die Augen. »Doch da es heute bewölkt ist, kann ich mir einfach nicht vorstellen, was er jetzt tut. Höchstwahrscheinlich schläft er wirklich.«
    Eine Weile herrschte Schweigen. Bykow dachte, dass er bisher noch nie unter einem solchen Vorgesetzten gearbeitet hatte.
    »Und wie steht’s mit deinen Angelegenheiten?«, fragte Dauge plötzlich.
    »Was meinst du damit?«
    »Ich meine deine Aschchabader Lehrerin.«
    Bykow wurde sofort ernst. Er senkte missmutig den Kopf. »Wir treffen uns hin und wieder ...«
    »Ach so! Ihr trefft euch. Na und?«
    »Nichts weiter.«
    »Hast du ihr einen Antrag gemacht?«
    »Ja.«
    »Hat sie abgeschlagen?«
    »Nein. Sie sagte, sie wolle es sich überlegen.«
    »Wie lange ist das schon her?«
    »Ein halbes Jahr.«
    »Und?«
    »Was – ›und‹? Weiter ist nichts gewesen.«
    »Du bist ein kompletter Narr, Alexej. Entschuldige bitte, wenn ich dir das sage.«
    Bykow seufzte.
    Dauge blickte ihn mit offenkundigem Spott an. »Unbegreiflich!«, sagte er. »Der Mann ist über dreißig Jahre alt, liebt eine schöne Frau und trifft sich mit ihr nur hin und wieder. Schon sieben Jahre lang ...«
    »Fünf.«
    »Gut. Meinetwegen fünf. Im fünften Jahr erklärt er sich ihr. Wohlgemerkt, sie hat fünf Jahre lang geduldig gewartet, diese unglückliche Frau ...«
    »Lass sein, Grigori«, sagte Bykow stirnrunzelnd.
    »Einen Augenblick! Nachdem sie sich aus Bescheidenheit oder um einer kleinen Rache willen Bedenkzeit erbeten hat ...«
    »Genug jetzt!«
    Dauge seufzte und machte eine resignierende Handbewegung. »Du bist selber schuld, Alexej. Wie du ihr den Hof machst, ist der reinste Hohn. Was wird sie von dir denken? Trottel!«
    Bykow schwieg bekümmert, dann sagte er hoffnungsvoll: »Wenn wir zurückkehren ...«
    Dauge kicherte. »Ach du Eroberer ... Verzeihung, Wüstenspezialist ... ›Wenn wir zurückkehren ...‹ Geh schlafen, ich kann dich gar nicht mehr sehen.«
    Bykow stand auf und griff nach dem Buch auf dem Tisch.
    »La description planétographique du Phobos. Paul Dangée«, las er. Auf dem Titelblatt stand eine mit fettem Rotstift in russischer Sprache geschriebene Widmung: Meinem lieben Dauge in dankbarer Erinnerung. Paul Dangée.

    Im Morgengrauen erwachte Bykow. Die Tür zum Schlafzimmer stand halb offen. Dauge – in kurzer Sporthose, braungebrannt und mit wirrem Haar – stand am Schreibtisch und schaute auf das Porträt der melancholischen jungen Frau: Mascha Jurkowskaja. Dann nahm er das Porträt von der Wand und steckte es in den Rucksack. Vorsichtig drehte sich Bykow auf die andere Seite und schlief wieder ein.

Alltag
    Die Stadt war nicht groß: Einige Hundert neuerbauter Häuschen säumten vier schnurgerade Straßen, die parallel zueinander zwischen zwei Reihen kahler Hügel verliefen. Der rote Schein der Morgensonne lag auf dem nassen Asphalt, den flachen Dächern und den jungen Bäumchen in den Vorgärten. Hinter den Hügeln waren im rosigen Dunst gewaltige

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