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Attentage

Attentage

Titel: Attentage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Bartl
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WIEN, PRATERSTRASSE, FISA-BÜRO
    Es gibt Tage, an denen Purront seine Arbeit hasst. Seit Leconte ihn über den Verdacht informiert hat, dass der Attentäter durch die Cateringfirma Zugang zum Filmball bekommen könnte, überwachen sie das kleine Unternehmen „VIP-Table“ Tag und Nacht. Jedes Telefonat wird abgehört, jedes E-Mail gelesen und alle Räume sind verwanzt.
    Mit der behördlichen Genehmigung für die Abhöraktion gab es Probleme, aber dann hatte ihnen Oberst Gallhör die österreichische Lösung für den spontanen „großen Lauschangriff“ erklärt. „Offiziell ist es Ihnen nicht erlaubt, Monsieur Purront“, sagte er, hinter seinem wuchtigen, vollgeräumten Schreibtisch in einem Büro im Innenministerium sitzend. Er hatte das Wort „offiziell“ stark betont und sich dann demonstrativ in seinem schwarzen Drehstuhl zurückgelehnt, um das Ende des Gesprächs zu signalisieren. Es war klar, dass niemand mit Schwierigkeiten zu rechnen hatte, wenn alles inoffiziell geschah. Die schweren Teppiche schienen alle Geräusche in dem geräumigen, aber stickigen Zimmer zu dämpfen. Purront hatte es eilig, verabschiedete sich knapp, aber höflich und verließ das Büro mit seiner Begleitung aus der französischen Botschaft.
    André trug einen Anzug, der ihm etwas zu groß war, und versuchte auf dem Weg durch die schmucklosen Gänge und den Arkadeninnenhof hin zum Ausgang mit Purront Schritt zu halten. „Sie haben sicherlich verstanden“, sagteder schmächtige Attaché zum Abschied und versuchte weltmännisch zu erscheinen. Bei den Ermittlungsarbeiten beschränkte sich die österreichische FISA-Gruppe darauf, die nötigen Beschattungen zu organisieren und Informationen zu beschaffen. Bei dem Ansuchen um diese Genehmigung hatte man darauf bestanden, dass es über europäische Diplomatenkreise erwirkt wurde.
    Drei Tage nach Beginn der Abhöraktion wissen sie aus den aufgenommenen Telefonaten, dass der dicke Geschäftsführer seine Frau mit einer jungen Ungarin betrügt, die er als Servicekraft im Unternehmen einsetzt. Aus den E-Mails erfahren sie, dass der Buchhalter mit einem jungen Mann zusammenlebt, aber seine Homosexualität allen Kollegen verschweigt. Sie finden heraus, dass die 36-jährige Empfangsdame in sämtlichen österreichischen Kasinos gesperrt ist und ihr Geld nun in dubiosen Spielhallen in der Nähe des Wiener Westbahnhofs verliert. Aber es gibt nicht den geringsten Hinweis, dass jemand mit dem Gedankengut von Terroristen sympathisiert. Eine Erpressung als Motiv war auszuschließen, denn wer würde sich dazu nötigen lassen, sich selbst in die Luft zu sprengen? Es kam nur ein Überzeugungstäter in Frage.
    Leconte ist auf den Gedanken fixiert, dass das Attentat mit dem Dessert zu tun hat. Purront findet die Schlussfolgerungen, die Leconte aus der Formulierung „süßer Tod“ zieht, übertrieben, aber seit sein Chef mit dieser eisernen Scotland-Yard-Lady liiert ist, hört er noch weniger auf ihn als zuvor.
    Sie wissen bereits, dass auf dem Filmball eine „Esterházy-Torte à la Sacher“ serviert wird. Sogar das Rezept der Mandelschokotorte hat Purront gegoogelt. Und aus einem Telefongespräch wissen sie, dass die Torte von einer Konditoreiin Baden bei Wien produziert und geliefert wird. Leconte ist sichtlich wütend nach Erhalt dieser Information.
    „Ihr habt drei Tage gebraucht, um festzustellen, dass das Dessert gar nicht vom Cateringunternehmen selbst geliefert wird?“, fragt er in einem Tonfall, dem man entnimmt, dass er lieber brüllen würde. Purront ist nachsichtig, denn er weiß um den enormen Stress des Commissaires. Die Tage bis zum Filmball fliegen nur so dahin und jede verheißungsvolle Spur hat sich bis jetzt als eine Sackgasse erwiesen.
    „Wir haben schon einige Leute angesetzt“, verteidigt sich Purront, „und wir wissen, dass dort ein Pakistani als Fahrer arbeitet.“ Richard Kreuter, der Leiter der österreichischen FISA-Gruppe hat sie über das Gerücht informiert, dass in den Terrorcamps Mir Ali und Wana in der Provinz Waziristan an der afghanischen Grenze auch Kämpfer mit österreichischen Pässen ausgebildet werden. Die al-Qaida-Gruppen im Jemen und in Pakistan arbeiten eng zusammen. Der Pakistani ist ihre erste heiße Spur. Wobei lauwarm die korrektere Bezeichnung ist.
    Lecontes Zorn scheint etwas beschwichtigt zu sein. „Ich will alles über ihn wissen, hörst du, alles. Seit wann ist er in Wien? Wie und wo lebt er? Was redet, isst, trinkt er? Wie oft betet er? Wer

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