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Attentage

Attentage

Titel: Attentage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Bartl
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größerem Sicherheitsabstand folgen, fragt Berthold: „Bingo?“ Purront legt den Kopf leicht schief. Für einen Fahrer ohne sonstige Ausbildung wird Sameer von der Süßwarenfirma überdurchschnittlich entlohnt. Und er hat auch nicht gekündigt. „Ich weiß nicht“, meint Purront, „er ist entweder ein Lügner oder er wird wirklich demnächst für etwas sehr gut bezahlt.“

MONTAG, 26. MÄRZ, 23.30 UHR | WIEN, HOTEL TRIEST
    „Es gibt keinen Hinweis darauf, dass Sameer Kontakt zu extremistischen Gruppen hat. Er geht nicht einmal in die Moschee“, sagt Heather nun schon zum zweiten Mal mehr zu sich selbst als zu Leconte, der gerade mit seinem Strohhalm versucht, die Limette unter den Eiswürfeln seines Caipirinha aus dem Glas zu fischen. Normalerweise trank er keine Mixgetränke, aber Heather hatte ihn an der Hotelbar überredet, doch einmal etwas Neues zu versuchen.
    „Schläfer verhalten sich immer unauffällig“, erwidert Leconte. „Wir können momentan gar nichts anderes tun, als so viele unserer Leute wie möglich beim Ball drinnen zu positionieren, strengste Sicherheitsvorkehrungen beim Einlass zu treffen und diesen Sameer Tag und Nacht zu überwachen.“
    „Magst du keine Zitrusfrüchte?“, fragt Heather, als Leconte endlich die Limette erwischt hat und auf eine kleine, weiße Papierserviette mit dem Hotellogo deponiert hat.
    „Mein Vater war überzeugt, dass sich meine Schwester und ich keinen Infekt holen, wenn wir genügend Vitamin C zu uns nehmen“, knurrt Leconte säuerlich. „So gab es im Winter in der Früh und am Abend heiße Zitrone zum Trinken und den Rest des Jahres zweimal täglich Zitronensaft. Ich habe genug Zitronen für den Rest meines Lebens intus.“
    „Dein Vater hat dich eben geliebt und wollte nicht, dass du krank wirst“, sagt Heather.
    „Es hat ihn einfach nur gestört, wenn ein krankes Kind seinen geplanten Tagesablauf durcheinanderbrachte. Das waralles“, sagt Leconte. „Er war Büroleiter im Statistischen Amt und selbst sein Begräbnis hat er bis ins letzte Detail schon Jahre im Voraus geplant. Ich kann mich auch nicht erinnern, ihn je herzhaft lachen gesehen zu haben. Keine Lebenslust. Er war so wenig Franzose wie … ich Brite.“
    Heather überhört die kleine Spitze und legt ihre Hand auf seine. „Und deine Mutter?“
    „Sie hat darunter gelitten. Die dreieinhalb Jahre, die sie ihn überlebte, hat sie dann noch in vollen Zügen genossen“, antwortet Leconte knapp, und es ist klar, dass er darüber kein Wort mehr verlieren möchte
    In das Schweigen hinein fragt Leconte: „Hattest du eine schöne Kindheit?“
    Kurz zögert Heather, dann lächelt sie. „Ja“, sagt sie, „Mama ist sehr geschäftstüchtig und hat ein Kartenbüro in der Nähe des Piccadilly Circle. Bei ihr bekommt man auch Karten für Musicals, wenn sie schon lange ausverkauft sind. Papa war beruflich nicht sehr erfolgreich, aber er ist ein sehr sensibler Mensch. Eine Künstlernatur. Er verkaufte seine Malereien an einem Stand an der Themse und spielte kleine Rollen in einem Vorstadttheater. Wir waren nicht reich, aber es reichte immer. Papa war ein Lebenskünstler. Seit drei Jahren sitzt er nach einem Schlaganfall im Rollstuhl. Ich vermisse die ausgelassene Zeit mit ihm sehr, in der wir viel gemeinsam unternommen haben. Ihm zuliebe bin ich schon als Kind oft ins Theater mitgegangen, denn das war seine große Leidenschaft. Wir saßen abends oft mit den Künstlern zusammen und philosophierten. Wenn er etwas beschwipst war, spielte er manchmal zu Hause Entsetzen darüber vor, dass seine einzige Tochter so aus der Reihe geraten ist. Grundsolide und … sehr britisch.“
    „Du bist die französischste Britin, die ich kenne“, lügt Leconte, der den kleinen Seitenhieb registriert hat, versöhnlich.
    „Du kennst überhaupt keine andere Engländerin“, lacht Heather und stößt ihn spielerisch in die Rippen.
    „Benimm dich“, sagt Leconte und deutet zur Drehtür des Hotels, „Purront ist im Anmarsch.“
    Schon bevor Purront sie an der Bar erreicht hat, kann Leconte an seinem Gesichtsausdruck ablesen, dass er schlechte Nachrichten bringt. Er begrüßt Purront kurz, steht auf und setzt sich gemeinsam mit Heather und Purront wortlos an einen leeren Tisch außer Hörweite der anderen Gäste.
    „Er kann nicht der Täter sein“, sagt Purront ohne Umschweife, „er hat sich heute Abend in einem Lokal betrunken und ist später mit einer wasserstoffblonden Nutte vom Straßenstrich für eine halbe

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