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Attentage

Attentage

Titel: Attentage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Bartl
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wäre hier in der Warteschlange leicht möglich, den Plastiksprengstoff unauffällig in der Umhängetasche zur Explosion zu bringen. Hani beschließt, am 5. April die Bombe an dieser Stelle zu zünden. Die Detonation wird so gut wie alle Menschen im Raum töten. Hani gefällt die Symbolik eines Attentats vor dem nachgebauten Oval Office. Das ist eine Botschaft an die Befürworter der amerikanischen Politik und des – vergeblichen – Kampfs gegen den heiligen Krieg, den sie als Terror bezeichnen. Das Wachs wird schmelzen, so wie auch diese Welt zerschmelzen wird, wenn Allah die Gottlosen am Ende bestrafen wird. Hani lächelt und dreht sich dann ärgerlich um, da er von hinten gestoßen wird.
    „Sie sind dran“, sagt ein älterer Herr. Hani zögert kurz, dann geht er zum Schreibtisch und postiert sich neben Obama. Hinter ihm ist das Sternenbanner an die Wand montiert. Einige Amerikaner behaupteten, der Präsident folge demIslam, da er drei Jahre in Indonesien lebte und sein Vater ein Muslim aus Kenia war.
    Hani weiß jedoch, dass sich Barack Obama in der Christ Church taufen ließ. Es ist auch besser für ihn, wenn er nie Muslim war, denn für die Abwendung vom wahren Glauben gibt es niemals Vergebung, sondern nach Sure 4 nur den Tod als Strafe. „Wer seine Religion wechselt, den tötet. Wer von euch abfällt, der soll sterben.“ In Sure 2 erklärt der Prophet sogar, dass die Verführung zum Abfall schwerere Sünde ist als zu töten.
    Blitzlicht erhellt den Raum. Er wird das Foto kaufen und mit einigen Zeilen über seinen göttlichen Auftrag als Mujahid in seiner Wohnung auf dem Tisch liegen lassen. Nach seinem Märtyrertod werden sie es finden und sicherlich wird man es in allen Zeitungen veröffentlichen. Hani gefällt dieser Gedanke. Er würde gerne Ramzis Gesicht sehen, wenn er von seiner Heldentat erfährt.
    Satam hat ihm aufgetragen, vorher alles in Ruhe anzusehen, um am 5. April nicht durch Unwichtiges abgelenkt zu werden. Die Sicherheitsvorkehrungen am Eingang waren nur oberflächlich und er wird die Kontrolle sicherlich problemlos passieren. Nun da er auch den exakten Platz für die Explosion bestimmt hat, muss er nur mehr entscheiden, wann er die Bombe zündet. Einer der großen Führer des Jihads hatte zwar erklärt: „Wenn es keine Möglichkeit gibt, die Feinde zu töten, ohne dass Muslime mit ihnen sterben, sollten wir sie dennoch töten und die Feinde werden in die Hölle kommen und die Muslime ins Paradies.“
    Satam hat ihm aber eingeschärft, darauf zu achten, dass niemand in der Nähe ist, der anhand seiner Kleidung oder seines Aussehens ein Muslim sein könnte.
    Das Attentat in Paris mit den toten Pilgern hatte viel Staub in der islamischen Welt aufgewirbelt. Die große Mehrheit der Muslime lehnte den Jihad grundsätzlich ab. Diese Tatsache schockierte Hani immer wieder. Selbst in der Heimat des Propheten, in Saudi-Arabien, wurden Gotteskämpfer gnadenlos von jenen verfolgt, die Mohammed verehrten. Es ist Hani unerklärlich, warum sie Befehlen wie in Sure 9/123 widerstehen: „O ihr, die ihr glaubet! Kämpft gegen die Ungläubigen in eurer Nähe und lasst sie eure Härte spüren.“ Doch viele Muslime waren schon zufrieden, wenn in ihrem Land nach dem islamischen Recht regiert wurde. Doch der Prophet hatte in Sure 8/39 klar dazu aufgefordert, den Kampf erst zu beenden, wenn nur mehr Allah auf der ganzen Welt angebetet würde. „Und kämpft gegen sie, damit keine Verführung mehr stattfinden kann, und kämpft, bis sämtliche Verehrung auf Allah allein gerichtet ist.“ Es schmerzte Hani, dass die Mehrheit der Muslime die Gotteskämpfer als Extremisten ablehnte. Und es ärgerte ihn, wenn ihn diese Unwissenden auch noch belehren wollten, dass solche Taten nicht im Einklang mit der Botschaft des Islam seien. Natürlich wollten seine Brüder in Frieden leben und mussten hart arbeiten, um ihre Familien zu ernähren. Durch die Mühen des Alltags und mangelnde Unterweisung waren sie offenbar blind für den Auftrag Allahs an die Gläubigen. Sie lasen einige Zeilen im Koran, küssten ihn und stellten ihn wieder in die Ecke.
    Hani wird erneut bewusst, welch großes Privileg es ist, die Wahrheit zu verstehen und sein Leben dafür opfern zu dürfen. Als er mit dem Foto in der Jackentasche ins Freie tritt, hat es zu regnen begonnen. Er läuft über die Straße zur U-Bahn-Station und bahnt sich im Gewühl der Menschen unter ihren Regenschirmen seinen Weg die Stufen hinunter.

SAMSTAG, 24. MÄRZ, 16.10 UHR |

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