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Attentage

Attentage

Titel: Attentage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Bartl
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ordnen. Bruno fühlt sich seltsam traurig und kraftlos. Obwohl er keine Lust hat, sich selbst zu analysieren, weiß er, dass er sich gerade verachtet.
    Das direkte Sonnenlicht offenbart den Schmutz, der sich auf der Windschutzscheibe angesammelt hat. Bruno betätigt den Scheibenwischer, aber der Erfolg hält sich in Grenzen. Er fährt mit seinem Zeigefinger innen über die Scheibe und betrachtet den Dreck auf der Fingerkuppe, um ihn dann einfach an seinem Hosenbein abzuwischen.

MONTAG, 26. MÄRZ, 13.40 UHR | WIEN, PARKPLATZ METRO-GROSSMARKT
    Purront beobachtet das Signal des Peilsenders auf dem Bordcomputer des Audis. Seit dem frühen Morgen folgt er mit seinem Wiener Kollegen Berthold dem Lieferwagen von Sameer aus der Süßwarenproduktion in Baden quer durch Wien.
    Sie halten einen großen Abstand ein, um Sameer nicht aufzufallen. Die grellgelben Werbeaufschriften mit Süßwarenabbildungen und die Höhe seines roten Firmentransporters erleichtern ihnen die Arbeit, da sie das Fahrzeug schon von weiter weg erspähen, wenn sie sich herannavigieren.
    Sameer beliefert neun Konditoreifilialen in verschiedenen Bezirken und fährt einmal beim Rathaus vorbei, als er eine bestellte Hochzeitstorte ins Hotel „The Ring“ bringt.
    Auf der Rückfahrt zum Produktionsbetrieb in Baden zweigt Sameer zum Metro-Supermarkt neben der Südautobahn ab. Purront und Berthold können ihm nicht beim Einkaufen folgen, da der Zutritt nur für registrierte Firmenkunden möglich ist. Da sich gegenüber eine Tankstelle mit Blick auf den Parkplatz befindet, fahren sie den Audi durch die Waschanlage und reinigen das Auto auf dem Vorplatz auch innen gründlich. Nach einer guten Stunde erscheint Sameer wieder bei seinem Fahrzeug. Offensichtlich hat er für die Süßwarenproduktion eingekauft, denn er wuchtet drei Mehlsäcke und einige Großpackungen Lebensmitteln in den Laderaum.
    Er steigt ein, fährt aber nicht los. Sie können von der Tankstelle aus nicht sehen, was Sameer tut, und soschlendert Berthold in einiger Entfernung an Sameers Auto vorbei, um Purront danach zu berichten: „Er macht Mittagspause. Entweder hat er sich im Supermarkt etwas zum Essen besorgt oder er hatte etwas mit.“
    Purront bemerkt, dass er ebenfalls hungrig ist. Neben der Tankstelle steht ein Kebabstand. „Es ist viel zu auffällig, wenn wir hier im Wagen warten“, sagt er, „gehen wir zum Imbissstand.“
    Purront beißt gerade das erste Mal in seinen triefenden Kebab, als Sameer aussteigt und ohne Zögern direkt auf sie zugeht. „Mist“, sagt Berthold leise und beide vermeiden es, in seine Richtung zu sehen.
    Als Sameer den Stand erreicht hat, hört Purront, wie er – offenbar auf Pakistanisch – bestellt. Während ihm der dickleibige, verschwitzte Kebabverkäufer eine Tasse Tee einschenkt, plaudert er freundlich mit diesem. Sameer scheint hier öfters Pause zu machen.
    Plötzlich wittert Purront eine Chance für ein Gespräch, obwohl ihm gleichzeitig bewusst ist, dass er damit ihre Aktion gefährden kann. Aber seine arabischen Gesichtszüge sind jetzt hilfreiche Tarnung und da Sameer selbst zu ihnen an den Stand gekommen ist, wirkt die Situation unverdächtig. Er wendet sich Sameer zu und fragt freundlich: „Nichts Süßes dazu?“
    Sameer scheint über diese Gesprächseröffnung überrascht zu sein, aber als Purront auf den roten Kastenwagen deutet, aus dem er gerade ausgestiegen ist, versteht er.
    „Nein, mag keine Torten und Kuchen mehr“, sagt er und verzieht den Mund, „schon drei Jahre bei Firma.“
    „Drei Jahre!“, sagt Purront, „da haben Frau und Kinder wohl auch schon genug von den Torten, nicht wahr?“ Purrontist natürlich darüber informiert, dass Sameer seit der Genehmigung seines Asylantrags vor drei Jahren alleine in einer kleinen Wohnung am lauten Währinger Gürtel lebt. Soviel sie wissen, hat er Österreich seitdem nicht mehr verlassen.
    Sameer schüttelt ärgerlich den Kopf: „Familie noch in Pakistan. Regierung erlaubt nicht, dass kommen.“ Dann hellt sich sein Gesicht auf. „Aber ich werde bald ganz lange besuchen.“
    „Da wird sie sich sicherlich sehr freuen“, sagt Purront. Sameer nickt und man merkt am nervösen Zucken seiner Augenlider, dass er das Gefühl hat, bereits zu viel gesagt zu haben.
    „Guter Chef?“, wechselt Purront das Thema.
    „Guter Chef“, sagt Sameer stolz, „aber ich schon bald neuen Job mit viel mehr Geld.“ Er verabschiedet sich freundlich und geht zum Parkplatz.
    Als sie Sameers Wagen in

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