Attentage
Hand.
„Das ist meine Botschaft“, sagt Hani ruhig, „damit die Ungläubigen den Grund kennen, warum viele von ihnen sterben mussten.“
Satam versucht den Ärger in seiner Stimme zu unterdrücken. „Das hätten wir zuvor besprechen müssen“, sagt er vorwurfsvoll.
„Ich habe es erst nach meinem Besuch am Ort meiner Bestimmung entschieden“, antwortet Hani trotzig. Er weiß, dass ihm heute niemand etwas befehlen kann außer Allah. Womit sollte man einem Mujahid auch drohen? Wer nichtsmehr zu verlieren hat, weil er mit seinem eigenen Leben bereits abgeschlossen hat, ist absolut frei.
Satam befremdet die Sicherheit, die Hani ausstrahlt. Das Kuvert ist verschlossen, und er wagt es nicht, den Umschlag aufzureißen. „Welche Botschaft hat dir Allah gegeben?“, fragt er dann und merkt an Hanis Gesichtsausdruck, dass dies die einzig richtige Reaktion war. Hanis Haltung strafft sich und ohne nachzudenken zitiert er seine eigenen Zeilen.
„Bismillah ar-Rahman ar-Rahim. al-Hamdullilah ar-Rab al-Alamin. Im Namen des barmherzigen Erbarmers. Er hat eine Last auf meine Schultern gelegt und es ist meine Pflicht, dem Ruf Allahs zu folgen. Die Botschaft Mohammeds, des Gesandten Allahs, muss über die ganze Erde verbreitet werden, bis alles zum Haus des Islam gehört. Dafür opfere ich mein Leben als Mujahid, wie es uns befohlen wird. Meine Brüder werden weiterkämpfen, bis der Glaube zum reinen Ursprung zurückgekehrt ist. Allah, nimm mein Blut. Sieg durch Allahs Gnade. Nasr min Allah.“
Satam ist ergriffen und schämt sich für sein misstrauischkontrollierendes Benehmen. Hani ist ein Held und wirkt bereits wie dieser Welt entrückt. Satam wird seine eigene Unzulänglichkeit schmerzhaft bewusst, er fühlt sich plötzlich unterlegen und hält sich für einen Wichtigtuer. Er nickt einfach nur und stellt Brief und Foto beinahe ehrfürchtig wieder auf ihren Platz auf der Küchenanrichte zurück.
„Allahu akbar“, sagt er in die nun folgende verlegene Stille.
„Allahu akbar“, erwidert Hani rasch und nimmt vorsichtig seine schwarze Stoffumhängetasche mit der Werbeaufschrift des Pizzaladens vom Fensterbrett. Satam fällt ein, dass er nicht gefragt hat, mit welcher Begründung sich Hanifür heute von seiner Arbeitsstelle abgemeldet hat. Aber es ist jetzt eine zu banale Frage und so umarmt er ihn stattdessen fest und ist selbst davon überrascht, dass er plötzlich Tränen in den Augen hat.
„Ich weiß, dass du Erfolg haben wirst“, sagt er, „denn du kämpfst heute auf Allahs Weg.“
Sie verlassen die Wohnung und gehen schweigsam auf der Straße nebeneinander, bis Hani wortlos die Stiegen zur U-Bahn-Station Sloane Square hinuntersteigt, während Satam vom Menschengewühl in der Sloane Street verschluckt wird.
DONNERSTAG, 5. APRIL, 13.35 UHR | LONDON, WACHSFIGURENKABINETT
Heather steht mit Purront, durch eine Trennwand vor neugierigen Blicken verborgen, nur einige Meter vom Eingang entfernt vor einem Monitor und mustert jeden Besucher genau. Nach den Ereignissen in Wien wurde beim Flug heftig diskutiert, ob auch hier ein Körperscanner zum Einsatz kommen sollte. Wenn der Täter schon bei der Sicherheitskontrolle misstrauisch wird, besteht die Gefahr, dass er die Bombe mitten unter den Wartenden zündet. Sie müssen auf jeden Fall einen Verdächtigen schon vor der Schleuse von den anderen Besuchern isolieren und rechtzeitig unschädlich machen.
Mittlerweile kann Heather bereits zwischen den mehr als 200 eigenen Leuten und den Besuchern unterscheiden. Manchmal taucht auch Leconte auf dem Bildschirm auf, der wie die anderen FISA-Kollegen pausenlos durch die Räume des Wachsfigurenkabinetts geht.
Vor dem Eingang hat sich auf der Straße bereits eine lange Warteschlange gebildet. Das ist hier nicht ungewöhnlich, aber heute stehen die Menschen bereits um die Ecke des Gebäudekomplexes angestellt. Durch die anwesenden Beamten, die sich immer wieder unter die Ankommenden einreihen, hat sich die Zahl der Wartenden drastisch erhöht.
Sie müssen nicht nur die fünf großen Räume mit den Wachsfiguren auf zwei Stockwerken überwachen. Die Besucher steigen oben angekommen in kleine Fahrzeuge aufSchienen ein, die sie an nachgebauten Szenen zur Geschichte Londons vorbei in den Keller bringen. Dort wurde das alte Gefängnis im Tower nachgebaut. Normalerweise werden die Besucher in den dunklen Gängen von maskierten Darstellern erschreckt.
Dieser Bereich ist heute gesperrt, da es unmöglich ist, die Aktivitäten in
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