Attentage
diesem beinahe stockdunklen Teil zu überwachen.
Nach langen Diskussionen wurde im Vorfeld auch entschieden, zumindest alle Familien mit Kindern und schwangere Frauen unmittelbar vor der Kassa in einen Nebenraum zu bitten. Das Risiko ist zu groß, dass sie beim Überwältigen des Attentäters verletzt werden oder einen Schock erleiden. Zwei Beamte erklären den davon Betroffenen in diesem Raum höflich, dass durch die plötzliche Erkrankung eines Mitarbeiters an Röteln aus ärztlicher Sicht Schwangeren und Kindern vom Besuch abzuraten sei. Man ersuche um Diskretion. Als Trostpflaster erhalten diese Besucher Gratiseintrittskarten, die ab dem nächsten Tag einen Monat lang gültig sind. Bis auf ein italienisches Paar mit einem heulenden Bambino akzeptieren alle das Angebot, wenn auch verärgert. Dieses „Aussortieren“ hilft, die Warteschlange etwas zu verkürzen.
Aber nicht alle entsprechen der Bitte, ihr Wissen für sich zu behalten, sondern informieren nach dem Verlassen Wartende, die sie kennen. Tuscheln setzt ein und auch Paare ohne Kinder verlassen plötzlich die Warteschlange.
Heather will natürlich jegliches Aufsehen vermeiden, aber das wird dadurch torpediert. Mehr als vier Stunden ist das Wachsfigurenkabinett bereits geöffnet und so wie die Unruhe bei den Wartenden zunimmt, so steigt auch die Anspannung des FISA-Teams.
„Vielleicht ist er durch die Ereignisse in Wien gestern gewarnt worden“, sagt Heather beunruhigt und blickt auf ihre Uhr. „Oder er hat beim Warten Verdacht geschöpft.“
Purront will ihr gerade zustimmen, als ein junger Mann auf dem Monitor auftaucht, der offensichtlich arabischer Herkunft und allein unterwegs ist. „Stopp den Einlass nach ihm und bleib hier“, sagt Heather hektisch zu Purront, der weiterhin auf den Monitor starrt. Er sieht, dass einige Beamte den Verdächtigen unauffällig von den Touristen isolieren.
Heather betritt den ersten Ausstellungsraum durch eine Nebentür und gibt einigen ihrer Leute ein Zeichen. Zwei Familien mit älteren Kindern und ein Teenagerpärchen werden trotz ihres Protests mit sanfter Gewalt in den Raum nebenan gedrängt.
Bei der Sicherheitskontrolle wird der junge Araber gestoppt und aufgefordert, die Umhängetasche zu öffnen. Mit einem freundlichen Lächeln befolgt er die Aufforderung. Dann spaziert er durch die Schleuse mit dem Scanner. Als er kurz darauf den ersten Raum betritt, sind nur zivile Beamte – darunter auch einige Frauen – anwesend.
Der junge Besucher schlendert gelassen von Figur zu Figur, bis er bei Albert Einstein stehen bleibt und ihn streng fixiert. „Das ist unser Mann“, flüstert Heather, „Einstein war Jude!“ Sie bemerkt, dass ihre linke Faust so fest geballt ist, dass die Knöchel weiß hervortreten. Als der junge Araber beginnt, in seiner braunledernen Umhängetasche zu kramen, stürzen sich drei Beamte auf ihn. Es dauert nur kurz und er ist mit Handschellen gefesselt auf dem Boden fixiert.
Ein Beamter läuft mit der Tasche los, öffnet eine Tür und wirft sie hinein. In jedem Saal wurde am frühen Morgen der jeweils vorhandene kleine Abstellraum leergeräumt unddie Tür innen mit einer Stahlplatte verstärkt. Dem Personal erzählte man von einer geheimen Übung, aber aus seinen besorgten Mienen war ersichtlich, dass es kein Wort glaubte. Der Zutritt zu diesen Räumen war jedem „während der Übung“ verboten. Der Auftrag an die Beamten lautet, verdächtige Objekte auf jeden Fall in einem solchen Raum zu deponieren, bis ein Spezialist Entwarnung geben würde.
Während Beamte den Mann durchsuchen, der wie gelähmt auf dem Boden liegt, warten die anderen gespannt. Zwei Männer der Entschärfungseinheit betreten den Raum durch den Notausgang. Einer trägt einen astronautenähnlichen Anzug mit Helm und Visier. Er gibt ein Zeichen, von der Tür zum Abstellraum wegzugehen, öffnet sie und tritt ein. Sein Begleiter hat einen kleinen Monitor in Laptopgröße umgehängt und kann darauf die Aufnahmen der Helmkamera betrachten.
Heather sieht mit ihm auf dem kleinen Bildschirm, wie ein Stadtplan, ein Kugelschreiber, ein Notizblock, ein Hotelschlüssel, ein angebissener Apfel, Papiertaschentücher und ein kleiner digitaler Fotoapparat aus der Tasche auf den Boden gelegt werden, bis sie leer ist.
Heather schüttelt ungläubig den Kopf und seufzt laut. Ein Kollege nähert sich. „Er sagt, dass er sich nur schnäuzen wollte“, meint er und es scheint ihm peinlich zu sein, solch banalen Nachrichten
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