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Attentage

Attentage

Titel: Attentage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W Bartl
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begreift in Sekundenschnelle die Situation und reißt das große Flügelfenster auf. Purront vergewissert sich mit einem kurzen Blick, dass keine Passanten auf dem Weg vor dem Rathauspark sind, und schleudert sie dann ins Freie.Die eingetretene unheimliche Stille im Raum vor der Detonation wird durch die Musikberieselung verstärkt. Es ist wie in einem absurden Film, als die Bombe zur rauen Stimme von Roberta Flack bei „Killing me softly with his song …“ vor dem Rathaus explodiert. Purront hört, wie kleine Geschosse in Gebäudeteile einschlagen.
    Ein schwer atmender Leconte steht hinter ihm. „Nägel!“, sagt er, „die Torte war mit einer Bombe und mit Nägeln präpariert.“
    „Es ist ein unglücklicher Zufall. Wir haben die Torten mehrmals angestochen“, stammelt Purront, „aber oben nur zweimal, um sie nicht noch mehr zu zerstören. Die Testnadel muss bei der oberen Torte knapp am Metallgehäuse der Bombe vorbeigerutscht sein.“
    „Sehr knapp“, sagt Heather hinter ihnen, „knapper hätte es gar nicht werden können.“

MITTWOCH, 4. APRIL, 23.30 UHR | WIENER NEUSTADT, MILITÄRKASERNE
    „Sehen wir es positiv, das Attentat war erfolglos“, sagt Richard Kreuter zu der FISA-Gruppe, die sich in einer abgelegenen Militärkaserne in einem Besprechungsraum zusammengefunden hat, um die Ereignisse auf dem Filmball nachzubesprechen.
    Sie befinden sich in einer Hochsicherheitsanlage, in der Spezialeinheiten für Personenschutz und Befreiungsaktionen bei Geiselnahmen trainiert werden. In einer Halle sind Schüsse zu hören. Durch die große Glasfront eines Gebäudes sind athletisch gebaute Männer zu sehen, die sich in einer riesigen Kraftkammer schinden. Frauen gibt es hier offenbar nur wenige. Heather und Amber registrieren die taxierenden Blicke der Männer, die ihnen auf dem Weg vom Parkplatz zum Besprechungszimmer begegnen.
    Die nüchterne Ausstattung des Raums mit schwarzen Kunstledersesseln und einem überdimensionalen Bild von Spezialeinheiten, die sich gerade schwer bewaffnet von einem Gebäude abseilen, verstärkt die bedrückte Stimmung, die in der Gruppe herrscht. An einer Wand hängen vergilbte Flaggen aus aller Welt, die an die internationale Zusammenarbeit erinnern sollen. Leconte ist offenbar damit beschäftigt, die Flaggen den Ländern zuzuordnen, da er sie unverwandt anstarrt.
    Heather räuspert sich und Leconte ergreift das Wort: „Wir hatten einfach nur mehr Glück als Verstand. Einige Sekundenspäter hätte es ein Blutbad im Rathaus gegeben. Es waren über 40 Nägel in der Tortenbombe, tödliche Geschosse, die zum Glück kein Ziel gefunden haben.“
    Niemand sagt etwas und der Commissaire fährt fort: „Wir haben den Hinweis richtig gedeutet und ich lasse trotzdem einen Mann mit einem jemenitischen Pass eine Bombe in den VIP-Raum tragen! Um ein Haar wäre das Attentat trotz der Warnung geglückt.“
    „Wir haben ein Blutbad verhindert, weil wir den Poeten richtig verstanden und richtig reagiert haben. Zählt das denn nicht?“, sagt Purront. „Du“, sagt Leconte, und es klingt heftig, „du hast das Attentat in letzter Sekunde verhindert, nachdem du es vorher vermasselt hast.“ Purront will protestieren, aber unterlässt es, als er bestürzt Lecontes steinernes Gesicht registriert.
    „Du musst morgen die Leitung des Einsatzes in London verantwortlich übernehmen“, sagt Leconte zu Heather, „ich möchte bitten, mich bis auf weiteres meines Amtes zu entheben. Darf ich alle um ihr Handzeichen als Akzeptanz bitten?“
    Es ist totenstill im Raum. Giovanni Garretta ist der Erste, der die Hand hebt. Zögernd werden es einige mehr. Erik sagt: „Wir haben mit einem typischen Selbstmordattentat gerechnet und nicht mit einer Bombe, die in einer Torte versteckt und mit einer Kerze und Zündschnur zur Explosion gebracht wird. Ich halte dich nach wie vor für den richtigen Mann, aber wenn du dir es nicht mehr zutraust, dann bist du nicht mehr der richtige Mann.“ Dann hebt auch er die Hand und bis auf Heather folgen alle seinem Beispiel.
    „Unsere Sondermaschine hebt in einer knappen Stunde ab“, bemerkt Heather kurz.
    „Der Flughafen ist nur zehn Minuten entfernt“, sagt Kreuter. „Das ist für unsere Spezialeinsätze manchmal wichtig“, fügt er beinahe entschuldigend hinzu.
    „Spezialisten wie wir“, sagt Leconte, aber man kann seinem Tonfall nicht entnehmen, wie sarkastisch die Bemerkung gemeint ist. „Dann fahren wir sofort los“, sagt Heather. „Im Flieger nach London

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