Attentage
fremd.
„Wir wissen, dass du es gewesen bist. Man hat dich auf Kameraaufnahmen identifiziert, die dich zeigen, wie du in ein Internetcafé in Saana gehst, um Brüder zu verraten.“
Sheik Ali al-Houthi versucht das Gehörte zu verarbeiten. Als er antwortet, wählt er seine Worte sorgfältig.
„Ich bin kein Verräter und ich war noch niemals in einem Internetcafé“, sagt er.
Anwar beugt sich über den Tisch zu ihm. „Wir wissen schon seit drei Jahren, dass dir die Amerikaner ein Angebot gemacht haben, für sie zu arbeiten. Unsere Augen und Ohren sind überall.“ Ein seltsames Geräusch im Wasserbehälter der Pfeife ist zu hören.
„Ich habe das abgelehnt“, sagt der Sheik.
„Aber du hast uns nie davon erzählt.“
Der Sheik will sich rechtfertigen, doch die Stimme versagt ihm. Er räuspert sich und sagt stattdessen:„Ich habe mein Leben dem Jihad gewidmet. Warum sollte ich meine Brüder verraten? Wie kannst du das von mir denken?“ Seine Stimme wird lauter. „Meine Familie, mein Land, mein Glaube – was sollen mir die Unreinen bieten können, damit ich das verkaufe?!“
„Schweig.“ Anwar unterstreicht seinen Befehl mit einer Handbewegung, die selbst bei einem Lakaien unhöflich wäre, aber gegenüber dem Sheik eine Beleidigung ist.
„Wir haben dir Geld gegeben, damit du die Brüder aussenden kannst. Du hast es nie für Allah getan. Du wolltest ein angesehener Führer sein und wir haben dich unterstützt. Denn wir werden hier gejagt wie räudige Hunde. Die Feinde leben in unserem Land und auch viele aus unserem eigenen Volk hassen uns. Jetzt hast auch du die Seiten gewechselt. Sie haben dir versprochen, dass sie dich beschützen und dass du an die Macht kommst. Aber sie können dich nicht beschützen.“ Anwar hat sich in Eifer geredet.
„Niemals, niemals. Deine Information ist eine Lüge. Ich schwöre beim …“
„Wage es nicht, den Namen des Propheten in den Mund zu nehmen“, schneidet ihm Anwar das Wort ab.
Der Sheik bemerkt, dass der Begleiter nicht mehr durch den Vorhangspalt späht, sondern sich ihnen zugewandt hatund das Geschehen beobachtet. Seine Kalaschnikow ist auf ihn gerichtet.
„Die Brüder wollen deinen Tod“, sagt Anwar.
Der Sheik weiß, dass es nun für ihn nichts mehr zu sagen gibt. Er blickt nochmals zum Vorhang, in die Gewehrmündung. „Er hat den Befehl, dich zu erschießen, wenn du versuchst, den Raum zu verlassen“, sagt Anwar. „Wir wollen deinen Namen aber nicht in Unehre bringen. Wenn man erfährt, dass du ein gemeiner Verräter bist, beschmutzt es auch unser Ansehen. Man wird dich als Raubopfer mit durchschnittener Kehle finden.“ Anwar zieht mit einer fast spielerischen Bewegung ein schmales, drei Handbreit langes Messer mit Silbergriff hervor. Die Klinge schimmert rötlich im Licht des Holzkohlenfeuers, als er sich erhebt.
„Jeder soll wissen, dass mich die Brüder getötet haben“, sagt der Sheik. „Es wird eure Schande sein, weil ihr den Lügen geglaubt habt.“ Mit unerwarteter Schnelligkeit reißt der Sheik einen Krummdolch, der unter dem Kissen neben ihm liegt, mit seiner linken Hand heraus und springt in Richtung des Vorhangs. Der Gewehrlauf schlägt ihm die rasiermesserscharfe Klinge aus der Hand. Dann trifft ihn eine Salve und wirft ihn in die Sitzkissen zurück. Der gedrungene al-Qaida-Mann stellt sich über ihn und feuert den Rest seines Magazins in den schon leblosen Körper.
Als sie den Vorhang zur Seite schieben und an dem erstarrten Khalid vorbei auf die Gasse laufen, flüchten die Menschen in die umliegenden Läden. Dabei fällt ein Tisch mit Silberschmuck um und Ringe, Fuß- und Armreife fallen auf das Pflaster und rollen klimpernd und klirrend über die Gasse.
SAMSTAG, 21. APRIL, 10.40 UHR | FRANKFURT, AIRPORTHOTEL
„Ihre Kollegen vom Publizistentreffen sind schon in den Seminarräumen“, sagt die junge Rezeptionistin zu Leconte und Purront. Sie betont „Publizisten“ so, dass man daraus entnehmen kann, dass sie weiß, dass das Treffen im Untergeschoß des Hotels nichts mit Büchern und Zeitschriften zu tun hat. Der verschwörerische Unterton wirkt so lächerlich wie die schlecht sitzende rotbraune Uniform des Hotelkonzerns. Leconte ist auch ohne diese Anspielung schon missmutig, da es nicht mehr möglich war, zwei Einzelzimmer zu bekommen, und er daher mit Purront in einem Doppelbett schlafen muss.
Die FISA hat sich schon öfters hier getroffen, wenn allerhöchste Eile geboten war. Das Hotel liegt nur 20 Minuten
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