Attentage
niemanden darüber informiert, dass der Falsche getötet wurde.“
„Du hast gesagt, dass du nichts für seinen Tod kannst und ihn nicht hättest verhindern können.“
Heather hat jetzt Tränen in den Augen. „Das war ein Privatgespräch. Es ist jemand gestorben, der mir sehr nahe stand. Nachdem ich jetzt wohl gefragt werde, wer das war, sage ich gleich, dass das niemanden etwas angeht, solange es keine offizielle Anklage gegen mich gibt. Es gibt auch bei uns ein Recht auf ein Privatleben!“
„Kontrollieren Sie, woher der Anruf auf ihrem Handy vor einer halben Stunde gekommen ist“, sagt Leconte nochmals zu Stier.
„Keine Sorge, das werden wir“, antwortet dieser. „Bis zur Klärung steht Heather im Hotel unter Hausarrest. Sie darf ihr Zimmer nicht verlassen und wir werden ihr Telefon dort deaktivieren, bis wir diesen Anruf geklärt haben. Heather, auch Ihr Handy, eingeschaltet bitte. Falls Sie eine Dienstwaffe bei sich haben, geben Sie diese ebenfalls ab. Vor Ihrem Zimmer wird immer ein Mann mit dem Auftrag stehen, mit allen Mitteln zu verhindern, dass Sie Ihr Zimmer ohne Genehmigung verlassen. Sie sind lange genug bei uns, um zu wissen, was damit gemeint ist.“
Heather legt ihr Handy wortlos auf den Tisch.
„Keine Waffe?“, fragt Stier. „Wir werden Sie, Ihr Zimmer und Ihr Auto durchsuchen.“
Heather schüttelt den Kopf wie in Trance.
„Sie benutzt die Waffen einer Frau“, sagt Leconte kühl.
„Du hast keine Ahnung, was du mir mit dieser sinnlosen Aktion angetan hast“, sagt Heather.
„Das Richtige“, sagt Leconte, „auch wenn es mir unheimlich schwergefallen ist.“
Stier schnauft wieder. „Vielleicht wollen Sie ein gemeinsames Zimmer beantragen?“
Purront sieht betreten zu Boden und auch sonst findet es niemand witzig. Das beklemmende und lähmende Gefühl tiefer Enttäuschung weicht auch nicht, als Heather mit ihren Begleitern den Raum verlässt.
Es ist ein schweigsames Mittagessen im beinahe leeren Hotelrestaurant. Leconte stochert in seinem Kalbsgulasch und stellt nicht einmal einen seiner üblichen Vergleiche mit der überlegenen französischen Kochkunst an. Purront unterhält sich mit Erik, der bei ihnen Platz genommen hat, über Belangloses. Der Rest der FISA-Leute, die nun „unter Verdacht“ stehen, sitzt entfernt an anderen Tischen. Die feindselige Stimmung ist beinahe körperlich spürbar. Immerhin hat Leconte durch seine Aktion dafür gesorgt, dass sie als hoch qualifizierte Experten vom Dienst entbunden wurden. Leconte trinkt bereits seinen zweiten Kaffee, als Stier seinen Körper in das Restaurant wuchtet. „Kommen Sie bitte alle mit nach unten“, dröhnt er.
Zum dritten Mal betritt Leconte nun heute den Raum mit den wartenden Kollegen. Ernste Gesichter verstärken die greifbare Spannung.
„Wir haben die Nummer des Anrufs an Heather überprüft“, sagt Stier. „Er kam aus München, von einem Wertkartenhandy, das keinem Teilnehmer zuzuordnen ist. Aber das stimmt nur begrenzt. Diese Nummer ist beim Staatssicherheitsdienst registriert. Sie ist schon öfters bei Lauschangriffen in radikalen muslimischen Kreisen aufgefallen. Dieses Handy wird aber nur selten, und wenn dann nur kurz, eingeschaltet.“
Er schweigt, um seinem nächsten Satz noch mehr Gewicht zu geben. „Heather hat in den letzten zwei Monaten 16 Anrufe von diesem unbekannten Teilnehmer empfangen. Sie hat seine Nummer übrigens unter der Bezeichnung,Sohnemann‘ eingespeichert. Nicht besonders originell.“
Die Kunstpause wäre unnötig gewesen, der Schock ist offensichtlich. Leconte merkt, dass selbst er noch die Hoffnung hatte, dass sich alles als schrecklicher Irrtum herausstellen würde. Doch nun war alles klar – bis auf das Motiv.
„Es wird natürlich noch eine genaue Untersuchung geben und wir wollen hier keine Vorverurteilung aussprechen. Dennoch ist es angebracht, jene Kollegen, die durch eine nicht koordinierte Aktion unschuldig in Verdacht geraten sind, sofort zu rehabilitieren.“
Leconte versucht die Blicke, mit denen er durchbohrt wird, zu ignorieren.
„Allerdings trifft das nicht auf Leconte zu. Durch sein Naheverhältnis zur Verdächtigen hat er sich bei der FISA bis auf weiteres disqualifiziert. Sein Mitarbeiter Purront wird ab sofort die französische Abteilung vertreten.“
Leconte will protestieren, aber der nächste Satz von Stier lässt ihn endgültig verstummen.
„Außerdem ist Leconte bis zur endgültigen Klärung von allen Aufgaben offiziell entbunden – und
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