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Attila - Die Welt in Flammen

Attila - Die Welt in Flammen

Titel: Attila - Die Welt in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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Stadt war verloren.
    Alles war still, in der Ferne stieg in der herbstlichen Luft Rauch auf. Die Sonne strahlte auf die reingewaschenen goldenen Kuppeln, Stare schwirrten noch um die Kirchtürme, die Mönche sangen noch immer ihr Kyrie, in süßer Selbstvergessenheit. Dort im Osten, in der Nähe des Kaiserlichen Palastes, loderten Flammen in den blassen Septemberhimmel, wie Feuerzungen eines Scheiterhaufens.

22. AM SANKT-BARBARA-TOR
    H err», rief ein Läufer, der an den seitlichen Stufen auftauchte und dessen mit Nägeln versehene Schuhe auf dem Stein widerhallten. «Neuigkeiten aus der Stadt!»
    «Das sehen wir», sagte Aëtius.
    Die Hunnen waren offenbar doch in die Stadt eingedrungen, alles war verloren. Sie hatten es geschafft, hatten sich unter der Stadtmauer durchgegraben, oder vielleicht war es ihnen auch durch Verrat gelungen, vielleicht war da ein unbemerktes rückwärtiges Tor, das ihnen ein feiger byzantinischer Judas für dreißig Silberlinge geöffnet hatte. Das östliche Ende der Stadt brannte bereits. Bald würden sie aus der Ferne das Schreien und Wehklagen der Leute hören. Die Soldaten und Bürger auf der Stadtmauer waren unfähig zu sprechen, stumm starrten sie auf die leidende Stadt. Alles, wofür sie gekämpft hatten, war verloren. Mein Gott, mein Gott, warum hast du uns verlassen? Es war vorbei.
    Und dahinter, Asien – ebenfalls verloren. Es gab nichts, was dem mörderischen Voranschreiten der Hunnen noch Einhalt geboten hätte. Rom stand alleine da, seine Bruderstadt war zerstört, sein unausweichliches Schicksal, wie Aëtius nun nur zu deutlich sehen konnte, war in Stein gemeißelt. Sie selbst, die Letzten der wenigen, die noch übrig waren, sahen sich umzingelt. Die Angreifer waren vor und hinter ihnen, die halb zerstörte Mauer nur mehr ein Vorgebirge in einem See aus Blut. Die Stadt, die sie so erbittert verteidigt hatten, war eingenommen worden. Worte von früher fielen ihm wieder ein: «Du kämpfst für eine Sache, die längst verloren ist!»
    Er, Tatullus und Andronicus hielten ihren Schwertknauf fest umklammert. Hauptmann, Zenturio, General des Ostens und des Westens – alle drei würden heute wie gemeine Soldaten sterben, Schulter an Schulter. Und wie stolz sie darauf waren!
    Vermutlich war es der Kaiserliche Palast selbst, der da bereits in Flammen stand. Aëtius’ Augen schimmerten hell vor Rührung und Verzweiflung. Der Anblick verdunkelte sich zusehends, denn eine dichte Rauchsäule stieg von dort auf. Irgendwo dort im Palast war die Frau, die er liebte – die er immer geliebt hatte. Er sah die Szene vor sich. Tätowierte Krieger, die heulend durch marmorne Korridore stürmten, kostbare Statuen, die umgestoßen wurden und zerbrachen, zertrümmerte Mosaiken, zerrissene und dann verbrannte goldene Tapisserien, Gebetbücher, Evangelien und Messbücher, bespuckt und entweiht, Sklaven, die an Haken von der Decke baumelten oder an Säulen gebunden als Zielscheiben herhalten mussten, vergewaltigte Dienerinnen, die anschließend umgebracht und sogar dann noch missbraucht wurden, wenn sie schon stöhnend im eigenen Blut lagen. Der Kaiser auf Knien, um Gnade winselnd. Sie, die junge, kluge, helläugige Tochter des Leontius von Athen, so voll jugendlicher Unschuld und Hoffnung, als er sie zum ersten Mal sah, nun ebenfalls geschändet und niedergemetzelt.
    Mit letzter Anstrengung trommelte Aëtius alle zusammen: «Alle Mann her zu mir!»
    Es war immer noch möglich, dass sie einen Weg zu ihrer Rettung fanden, vielleicht zur See hin …
    Die drei rannten die Stufen hinab, um die sich versammelnden Männer in Augenschein zu nehmen, ein erbärmliches Häufchen, weniger als hundert Mann, verwundet, mit übernächtigten Augen. Wie Schlafwandler taumelten sie auf einen Albtraum zu. Aëtius achtete gar nicht auf die Ankunft eines zweiten Läufers.
    «Herr, Neuigkeiten vom Sankt-Barbara-Tor!», keuchte er.
    Dort waren sie also hereingekommen. Von der See her, erstaunlich. Mit Hilfe der Vandalen? Denkbar.
    «Kompagnie!», rief er. «Marsch!»
    Die wenigen Männer verfielen in einen raschen Trab, obwohl sich jede einzelne Sehne dagegen auflehnte.
    «Herr», keuchte der Läufer, ein junger Bursche, der neben ihnen herlief, «die Flotte der Vandalen ist zerstört!»
    Wie durch einen Nebel drangen die Worte in seinem Kopf allmählich zu ihm. Aëtius ließ die Kolonne anhalten und starrte den Läufer an. Der arme Kerl war immer noch ganz atemlos.
    «Wiederhole das!», herrschte er ihn an.
    «Die

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