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Auch Deutsche unter den Opfern

Auch Deutsche unter den Opfern

Titel: Auch Deutsche unter den Opfern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benjamin Stuckrad-Barre
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es gehört dazu, wenn Politiker sich abends in Berlin treffen, dass sie ihr Bundesland spaßeshalber gegen die der anderen in Stellung bringen, wahrscheinlich denken sie, das sei gut für ihr »Profil«. Und es gehört auch dazu, dass sie sich, wenn keine Fernsehkameras in der Nähe sind, parteiübergreifend irritierend gut zu verstehen scheinen. Von Beckstein und Huber keine Rede, keine Spur – auf eine Art sind die beiden, wo immer sie sich befinden heute Abend, ebenfalls in Mainz, und an ihrer statt übernimmt Horst Seehofer. Es ist ja heut nicht so wie beim Pokalfinale, wo man zum Schluss mit Bier übergossen wird, sagt Söder noch zu Steinmeier, und dann sind alle Fotos im Stehen gemacht, die Herren setzen sich direkt vor der Bühne auf eine Holzbank an einem Bierzelttisch, Brezeln und Biere vor sich, das Humorprinzip für den Abend ist unausgesprochen klar, durchgängig ironisch wird man diesen Gaga-Anlass gemeinsam durchstehen, man streut einfach in jeden Satz das Wort »Bier« ein, denn dann wird ja, wenn genug Männer beisammen sind, automatisch gelacht.
    Steinmeier sitzt neben dem Seehoferhorst, er legt sein iPhone auf den Tisch wie ein Cowboy sein Schießeisen auf den Tresen, und dann hebt er eine der vor ihm stehenden Flaschen Kritzenthaler Alkoholfrei hoch,der ihm gegenüber sitzende Brauerbundpräsident schüttelt mit gespielter Missbilligung den Kopf, und Steinmeier stellt die Flasche weg von sich, so kann sie erstens nicht aufs iPhone kippen, zweitens heißt das, er ist heute für jeden Spaß zu haben, fort mit dem alkoholfreien Bier, und drittens muss man nun mal irgendwas mit den Händen machen, wenn einen so viele Fotografen umringen.
    Am Rednerpult stehend, spricht nun Markus Söder, das heißt, er liest im Wesentlichen ohne Quellenangabe vor, was er so bei Wikipedia unter »Bier« gefunden hat, etwa dass allerlei Paragraphen des Codex Hammurapi, einer der ältesten Gesetzessammlungen der Welt, Herstellung, Preis und Zuteilung von Bier regelten, und demnach babylonische Provinzverwalter und Hohepriester Anrecht auf die Höchstmenge von rund fünf Litern pro Tag hatten, die Hofdamen des Königs auf immerhin noch drei Liter. Er könnte es auch kürzer sagen: Bier ist super und Saufen voll okay, aber der gespielte Ernst sichert ihn natürlich ab, und auch so lachen alle, kommt doch in jedem Satz das Wort Bier vor.
    Ebenfalls Gelächter und sogar Applaus, als Söder von Wikipedia abweicht und Steinmeier zuruft, zum politischen Aschermittwoch am Nockerberg würden traditionell die Kanzlerkandidaten eingeladen, und also würde man sich dort ja dann sehen im nächsten Jahr. Steinmeier stößt dem Seehoferhorst kumpelig in die Rippen, flüstert ihm irgendwas ins Ohr und guckt undurchdringlich, jetzt keinen Fehler machen, nicht dementieren, nicht bestätigen, das machen alles die anderen für ihn – und in Mainz sitzt Kurt Beck gerade in jeder Hinsicht im Hintergrundgespräch.
    Als Seehofer dann ans Rednerpult humpelt, um in seiner Eigenschaft als Vorjahresbierbotschafter dem »lieben Vizekanzler« noch ein paar launige Hinweise mit ins Botschafteramt zu geben, »Du musst lernen, ein Bierfass mit maximal zwei Schlägen anzustechen« und so weiter, lässt auch er den Seitenhieb auf Beck nicht aus, es gebe, so Seehofer, ja ein Bier namens Beck’s, und Steinmeier möge doch bitte in seinem Bierbotschafterjahr alles tun, »das Becksche zu überholen«. Wie ist das zuverstehen? Bloß als am Wegesrand aufgeklaubter Kalauer, Becks Bier – oder rechnet die CSU mit einer Fortführung der großen Koalition auch nach der Wahl 2009 und möchte es dann aber wenigstens lieber mit Steinmeier als mit Beck zu tun haben?
    Die in der Bayernhalle Versammelten jedenfalls jubeln und heben die Bierkrüge, Prosit, es nütze Steinmeier und es schade Beck; und Steinmeier muss gar nichts tun, er muss nur die Plexiglastrophäe in Empfang nehmen und dann ein paar Karteikärtchen aus der Hemdtasche holen, um an denen entlang eine allerdings überraschende Rede zu halten. Zumindest wer Steinmeier bislang nur bei diplomatisch und protokollarisch korsettierten Anlässen oder in Murat-Kurnaz-Verstrickung hat sprechen hören, meistens mit Fahnen im Hintergrund und Knopf im Ohr, ist nun erstaunt, wie lustig, simpel, kurzum: wie bierzeltig der Außenminister sprechen kann. Schließt man während seiner Rede die Augen, meint man, die Bayerische Landesvertretung sei eine Zeitmaschine, habe einen gerade zehn Jahre zurückbefördert, und es

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