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Auch Deutsche unter den Opfern

Auch Deutsche unter den Opfern

Titel: Auch Deutsche unter den Opfern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benjamin Stuckrad-Barre
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eines auf jeden Fall nicht
     geworden: weniger verbesserungswürdig. Der strahlend selbstvergessene Irrsinn auf
     der Fernsehpreisbühne genügte Reich-Ranicki für seine Blickdiagnose, und seine
     Abscheu konnte jeder nachvollziehen, mit Ausnahme von Veronica Ferres (was natürlich
     bekräftigend wirkt).

    Doch wie schlecht genau ist das deutsche Fernsehen eigentlich?
     Einer, der sich gerade mit den Niederungen des Programms im Detail auskennt und zu
     einem durchaus ähnlichen Urteil wie Reich-Ranicki kommt, ist Oliver Kalkofe. Seit
     vielen Jahren kritisiert der das Fernsehen im Fernsehen, schlägt es mit dessen
     eigenen Waffen. In seiner Sendung »Mattscheibe« nimmt er sich die schlimmsten
     Entgleisungen vor und seziert sie, montiert sie zu noch größerem Schwachsinn, er tut
     das angemessen drastisch, grob, pointiert – würde Reich-Ranicki das deutsche
     Fernsehen wirklich kennen, an Kalkofe hätte er seine Freude. Natürlich, man muss es
     nicht kennen. Aber falls doch, ist eine Diskussion darüber, wie man es verbessern
     könnte, so unausweichlich wie interessant. Und Kalkofe ist gewiss ein geeigneter
     Kronzeuge. Kürzlich hat er in einem Gymnasium mit Schülern darüber gesprochen, er
     hat sie gefragt, was sie sich gern ansehen, und bekam die braven Lügen zu hören:
     Dokumentationen, Tierfilme, Nachrichten, Reportagen; das übliche Arte-Alibi. Es
     waren aber auch Lehrer im Raum, vielleicht lag es daran.
    Keineswegs wünsche er sich das Programm, das Reich-Ranicki
     sich erträume, sagt Kalkofe, »für den ist ja 3sat schon Super-RTL«. Sehr wohl aber
     wünsche er sich »ein Programm, das die Zuschauer nicht dermaßen verachtet«. Die
     Sendung »Mattscheibe« sei als Notwehrmaßnahme entstanden, Notwehr gegen das
     permanente Schwachsinnsbombardement. Kalkofe ist, was das Fernsehen betrifft, ein
     enttäuschter Liebhaber, und er rächt sich bitter. Gutes Fernsehen aber – wie sähe
     das aus? Da muss Kalkofe nicht lange überlegen: »Dazu müssten die Programm-Macher
     endlich mal die Zuschauer, aber auch sich selbst und ihre Vorlieben ernst nehmen.«
     Er saß oft genug mit Redakteuren von Sendern zusammen, und immer wenn er ihnen etwas
     Neues vorschlug, sei die ängstliche Frage gekommen, womit man das Vorgeschlagene
     vergleichen könne. Und wenn etwas nicht vergleichbar ist, sondern neu, noch nie
     dagewesen, heiße es: »Schwierig, das ist noch nicht getestet.«
    Es herrsche, sagt Kalkofe, bei den Sendern eine ungeheure
     Angst vor eigener Meinung, Haltung, eigenem Gefühl. Sein Traumprogramm seieine Vielfalt, die sich nicht allein an der Zahl der frei
     empfangbaren Sender bemisst, sondern an Sendungen, bei denen nichtgemeinte Zuschauer
     auch mal empört abschalten. Kalkofe möchte keine Richter-Show und keinen
     Musikantenstadl absetzen – sein Vater zum Beispiel schaue sowas gern. Aber ein
     Sender müsse doch verschiedene Ansprüche bedienen. Der Auftrag! Nicht dieses Zielen
     auf die Mitte, das Allgemeingültige, Gefallsüchtige, so könne es doch nur flach
     werden. Unmöglich, mit einer Sendung alle zu erreichen – trotzdem werde das ständig
     weiter probiert. Die öffentlich-rechtlichen Sender seien in dieser Hinsicht noch
     schlimmer als die Privaten: »Man kann nicht mit denen reden, es sei denn, man hat
     drei Jahre Zeit, und es ist einem wurscht, wenn dann nichts draus wird.«
    Das Fernsehen sei kurz davor, sich selbst abzuschaffen.
     Freiwillig schaut Kalkofe kaum noch das reguläre Programm, er weicht, wie so viele,
     lieber auf amerikanische Serien aus, die er auf DVDs kauft, denn selbst wenn sie im
     deutschen Fernsehen liefen, sei das nicht auszuhalten, »da plingt und klingelt es am
     Bildrand, es laufen Männchen ins Bild und bewerben die darauffolgende Sendung oder
     ein Telefongewinnspiel, es werden Werbepausen an den falschesten Stellen gesetzt,
     die Programm-Macher gehen damit völlig respektlos um, wie mit einem alten Stück
     Fleisch. Ich kann dem Fernsehen in dieser Hinsicht nicht mehr vertrauen. Wenn es mal
     ausnahmsweise was Gutes gibt, versauen sie einem selbst das noch.«
    Das vom ZDF anberaumte fernsehkritische Gespräch zwischen
     Gottschalk und Reich-Ranicki werde natürlich nichts bringen, das sei ja, als spräche
     man mit jemandem vom Robert-Koch-Institut über Computerviren, es wird, da ist sich
     Kalkofe sicher, eine groteske Veranstaltung. Er macht sie schon mal im Vorhinein
     nach und trifft dabei den Gottschalk-Ton sehr gut, er kennt das

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