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Auch Deutsche unter den Opfern

Auch Deutsche unter den Opfern

Titel: Auch Deutsche unter den Opfern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benjamin Stuckrad-Barre
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Verbraucherzentrale die Preise verglichen und mit Kugelschreiberkringeln ihre Wunschgeräte in den Werbebroschüren markiert haben. Fragt man ein bisschen herum, wie die Wartenden so das Geld verdienen, das in Unterhaltungselektronik umzusetzen sie kaum erwarten können, denkt man kurz an Thilo Sarrazin. Aber nur kurz, denn: Plasma-Fernseher mit 127 cm

    Bilddiagonale für 737 Euro! Zwar mag das verhältnismäßig günstig sein, ist aber doch trotzdem eine Menge Geld, oder? Ist nicht Krise? Müssen wir nicht alle sparen? Tun wir doch: Anderswo sind die meisten der angebotenen Geräte viel teurer. Und die Köder-Offerten zur Eröffnung gelten nur, solange der Vorrat reicht, also Obacht, dass keiner vordrängelt! Gut, dass man zwei Ellenbogen hat.
    Auf einer Hebebühne steht eine blonde Madame, die uns im Auftrag von »Berlins Hit-Radio 104.6 RTL« offenbar unterhalten soll, dabei gleichzeitig anstacheln (»Viele tolle Angebote!«) und beruhigen (»Toll, dass es bislang so friedlich ist!«). Dass so eine nächtliche, mittels Superangeboten hysterisierte Eröffnung ausarten kann, weiß man, seit vor eineinhalb Jahren dort drüben, nur einen USB-Stick-Wurf entfernt, schon mal nachts eine weltgrößte Elektronikfachmarktfiliale eingeweiht wurde: Bei der Eröffnung des Media Markts im Einkaufszentrum »Alexa« hattees damals Verletzte gegeben und ordentlich Sachschaden, so toll waren die Angebote, so groß der Andrang, so ungenügend die Sicherheitsvorkehrungen. Das soll – und wird – heute hier bei Saturn nicht passieren: Polizei, privater Wachschutz, Krankenwagen, Absperrgitter – von allem genug da. Die »Alexa«-Eröffnungsschlacht ist ein legendäres Kapitel im Geschichtsbuch des Berliner Einzelhandels, und es sind heute viele Kamerateams gekommen, die sich insgeheim ähnliche Randale wünschen, schließlich ist diese Saturn-Filiale noch mal 1000 Quadratmeter größer.
    Drinnen werden noch Fenster geputzt, »lohnt doch gar nicht«, witzeln ein paar Jungs, »nachher müssen sie doch eh das ganze Blut abwischen«. Diese Jungs waren nicht rechtzeitig da, um jetzt ganz vorn zu stehen, aber sie haben einen Geheimplan: Sie stellen sich vor die ebenfalls um null Uhr öffnende »New Yorker«-Filiale, da dann rein und quer durch, so kommt man doch bestimmt auch zu den Rolltreppen, hinein ins Paradies der verbilligten Elektrogeräte!
    Noch 40 Minuten, von hinten kommt jetzt richtig Druck in die Menge. Hell erleuchtet strahlt das Kaufhaus auf den Alexanderplatz, verheißungsvoll. Wer zufällig vorbeikommt, bleibt stehen und kann gar nicht anders, als da auch reinzuwollen. Irgendein Gerät kann doch jeder gebrauchen. Die Leute ganz vorne, am Licht, mit den besten Chancen auf noch freie Auswahl, stehen dort seit mehr als drei Stunden. Es ist sehr kalt, aber sie brauchen dringend zwei Laptops, einen Fernseher und eine X-Box. Mindestens.
    Dann plötzlich geht alles ganz schnell: Schlag null Uhr, es sieht jetzt wirklich aus wie bei der Maueröffnung. »Alles stürmt nach oben, alles friedlich, so soll es sein«, jubiliert die Radiofrau. Hinein, hinein! Was soll’s, wir schieben, schreien – und hüpfen über die Absperrungen. Ansturm auf die Kartonstapel, die Frage ist nicht, wie viele X-Boxen für 99 Euro ein Mensch braucht, sondern wie viele er tragen kann. Mit acht neuen Telefonen unterm Arm ins alte Telefon den Kumpels durchgeben, dass man gerade bei den Telefonen steht und Unterstützung braucht beim Abtransport.
    Es sind Jagdszenen, die Kartons sind das erlegte Wild.
    »Jetzt führt uns die Krise vor Augen: Wir haben alle über unsere Verhältnisse gelebt«, hatte Bundespräsident Köhler am Nachmittag in seiner »Berliner Rede« gesagt. Doch das war gestern. Es ist null Uhr siebzehn, und wir stehen an der Kasse. Hoffentlich macht die EC-Karte mit.

[ Inhalt ]
    Auf dem Abwrackhof
    Ein letzter Blick ins Handschuhfach, noch einmal wehmütig den Duftbaum am Rückspiegel so antippen, dass er einem pendelnd zuwinkt, wenn man dem (mindestens neun Jahre) alten Auto Lebewohl sagt – schon Minuten später malmt die Schrottpresse das treue Gefährt zu einem handlichen Würfel, und ein Herr im Blaumann überreicht dem Hinterbliebenen 2500 Euro. So in etwa stellt man sich das vor mit der Abwrackprämie, die ja offiziell Umweltprämie heißt, aber dieses Wort steht nur im Formular; »Abwrackprämie«, das inoffizielle Wort, ist einfach zu schön, zu einleuchtend, dabei bleibt er nun, der Volksmund. »Umweltprämie« sagt nur Renate

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