Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auch Deutsche unter den Opfern

Auch Deutsche unter den Opfern

Titel: Auch Deutsche unter den Opfern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Benjamin Stuckrad-Barre
Vom Netzwerk:
Künast, und zwar so ironisch wie möglich.
    So – wer bitte gibt einem jetzt das Geld? Es ist natürlich alles viel komplizierter als man es sich vorgestellt hat. Ein Schrottplatz mag Kindern als paradiesischer Abenteuerspielplatz erscheinen, in den Augen eines Erwachsenen ist es ein Ort größtmöglicher Desillusionierung. Eines mal gleich vorweg: Die Abwrack- oder auch Umweltprämie bekommt man nicht bar ausgezahlt. Da steht man nun zwischen all diesen alten Autos, mit jedem davon verbindet mindestens ein Mensch eine lange Phase seines Lebens, in diesen Autos wurde geknutscht, gereist, gestritten – gelebt. Und nun wird ihnen jede noch verwertbare Innerei entnommen, die Lebenssäfte (Öl und Benzin) werden abgepumpt, das Fahrzeug wird skelettiert – und dann zusammengepresst. Um die Menschen zum Abschiednehmen von ihren alten (mit allen Schrammen und Defekten liebgewonnenen) Autos und zum konjunkturbelebenden Erwerb eines Neuwagens zu animieren, sind die in Aussicht gestellten 2500 Euro natürlich ein gutes Argument. Seit diese Prämie, als Teil des zweiten »Konjunkturpakets«, erfunden wurde, klingelt bei Herrn Juschkat von der Autopresse Tempelhof pausenlos das Telefon. Die Anrufer denken, HerrJuschkat presse hier seit Mitte Januar im Minutentakt Altautos und verteile Geld. Er selbst hat auch nur aus dem Fernsehen von der Prämie erfahren, genauere Informationen hat er sich dann im Internet zusammengesucht und sich von Kamerateams erzählen lassen, die hier täglich ihre Nachrichtenfilmchen zur Umweltprämie drehen. Trotzdem steht die Schrottpresse an manchen Tagen still, denn nicht jeder Neuwagen parkt ja abholbereit im Autohaus; Herr Juschkat glaubt, dass es mit dem Altautopressen erst in sechs bis acht Wochen so richtig losgeht. Seit drei Tagen kann man sich auf der Internetseite des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle ein Formular herunterladen: »Antrag auf Gewährung einer Umweltprämie«. Das wurde auch Zeit – bis dahin hatte Herr Juschkat allzu ungeduldigen Prämienjägern scherzhaft geraten, sie mögen doch bitte einen Brief an Angela Merkel schreiben, von ihm jedenfalls bekämen sie die Prämie nicht. Nun gibt es das Formular und darauf ein Feld, auf dem Herr Juschkat, als »Betreiber eines anerkannten Demontagebetriebs«, per Unterschrift und Stempel bestätigt, »dass die Restkarosse einer Schredderanlage zugeführt wird«.
    Herr Juschkat selbst fährt einen zehn Jahre alten Mercedes. Theoretisch also ein Umweltprämienanwärter, wird Herr Juschkat aber privat nicht am großen Schreddern teilnehmen, der Marktwert seines Autos sei nämlich höher als 2500 Euro. Schnell das Thema wechseln, in der Krise wird Gebrauchtwagenhandel nicht gern gesehen.
    Die Autos, die ihm die Berliner in den letzten Tagen zur Verschrottung überlassen haben, seien durchweg mindestens 15 Jahre alt, erzählt Herr Juschkat und zeigt einem die in unterschiedlichen Demontagestadien um die Pressmaschine herum gestapelten Kleinwagen: Autos, die auch ohne Umweltprämie kein gar so langes Leben mehr vor sich gehabt hätten. Eine dicke Limousine Baujahr 1999 jedenfalls, sagt Herr Juschkat und klopft lächelnd auf ein Fiat-Wrack, sei bei ihm in den letzten Tagen nicht zur Verschrottung abgestellt worden. Die Abwrackpioniere, die hier schon ihre Autos verabschiedet haben, um sich prämiensubventioniert ein neues zu kaufen, haben Herrn Juschkat auch eher nicht erzählt,dass sie sich nun ein großes Fabrikat eines deutschen Automobilherstellers anzuschaffen gedächten.
    Schweigender Gang mit Herrn Juschkat durch die Stapel todgeweihter Karosserien. Was an und in diesen Autos noch halbwegs brauchbar ist, wird vor dem knirschenden Finale entfernt: Lichtmaschinen, Scheinwerfer, Kotflügel, Stoßfänger, Türen, Motoren. Ohne die Verwertung dieser Eingeweide könnte die Autopresse Tempelhof die Verschrottung nicht kostenlos übernehmen, zumal die Schrottpreise momentan krisenbedingt sehr niedrig sind. Für eine Tonne zusammengepressten Autorest, den Juschkat dann an eine Schredderanlage weitergibt, bekommt er derzeit nur 20 bis 30 Euro. Die Schwerindustrie habe Pause, er sehe das ja auch am Metallveredelungsbetrieb nebenan – Kurzarbeit und momentan von drei Schmelzöfen nur einer in Betrieb. Vor einem Jahr hat der Laden da noch gebrummt, sagt Herr Juschkat. Die Krise habe nur einen Vorteil: Es lohne sich nicht mehr, Gullydeckel zu klauen. Am Montag wird er die Pressmaschine wieder malmen lassen.
    Auf dem Bürgersteig vor

Weitere Kostenlose Bücher