Auch Dicke haben Hunger (German Edition)
er konnte nicht verstehen, was er wieder falsch gemacht haben sollte, er
hatte einfach nur die Wahrheit gesagt und dies musste schließlich erlaubt sein.
Bevor er bei den Kindern seine Verteidigungsrede fortsetzen konnte, fiel jeden
von ihnen etwas anderes ein was zu erledigen sei, und Peter stand alleine im
Wohnzimmer. „Na egal“, dachte er, „das renkt sich schon wieder ein. Morgen
sieht alles anders aus.“
Kapitel
Acht -- 82 -- Die Versöhnung
Am Montagmorgen, als Inge in die Firma kam, reckten die
Mitarbeiter neugierig die Köpfe hinter ihren Schreibtischen hervor. „Guten
Morgen, Frau Keller!“, grüßten die Angestellten sie freundlich. „Die neue
Frisur steht Ihnen aber prima“ oder „In Ihrem neuen Kostüm sieht man richtig
toll, wieviel sie abgenommen haben.“ Sie hatte bestimmt 10 Komplimente
abkassiert, bis sie endlich in ihr Büro gelangte. Inge musste sich eingestehen,
diese Form des Spießrutenlaufs gefiel ihr sehr gut. Mit viel Energie stürzte sie
sich in die Arbeit und bremste erst ihren Elan, als die Sekretärin von Rüdiger
aufgeregt ins Zimmer kam. „Frau Keller, wissen sie wo Herr Schirrnach ist? Er
ist bis jetzt noch nicht im Büro aufgetaucht, obwohl er in zehn Minuten einen
Kundentermin hat. Normalerweise gibt er mir Bescheid, wenn ihm etwas dazwischen
kommt.“
Das war in der Tat äußert ungewöhnlich. Rüdiger hatte
noch nie einen Termin versäumt und war zu spät in die Firma gekommen, ohne
wenigstens vorher anzurufen.
„Haben Sie versucht ihn zu Hause zu erreichen?“
„Ich habe zigmal angerufen, aber niemand geht ans
Telefon.“
„Ungewöhnlich, äußert ungewöhnlich“, dachte Inge
beunruhigt. „Wissen Sie was Frau Semmler, ich gehe mal rüber zu meinem Schwager
ins Haus und sehe da nach dem Rechten.“
Sie eilte zum Bungalow ihrer Schwester, der direkt neben
dem Firmengelände stand. Inge bewunderte das hübsche und großzügige Haus, den
herrlichen gepflegten Garten und den überdachten und beheizten Swimmingpool.
Sie verstand nicht, warum Elvira dieses moderne und gut geplante Gebäude
unbedingt gegen das riesige alte Elternhaus eintauschen wollte. Energisch
klingelte sie an der Tür. Niemand machte auf. „Hoffentlich haben die sich
nichts angetan“, regte sich in Inge ihre berüchtigte Fantasie. „Man liest ja so
viel über Familiendramen.“
Sie versuchte über den kleinen Gartenzaun klettern, aber
just in diesem Moment schrie eine erregte Stimme hinter ihr: „Sagen Sie mal,
was soll das? Sie können doch nicht hier über den Zaun klettern.“
„Und ob ich das kann“, herrschte Inge die Frau an, die
sie von ihrem Vorhaben abhalten wollte. Bevor es aber zu einem Gerangel kam,
brauste Rüdigers Mercedes die Einfahrt hoch und Inge und die Frau sprangen ihm
vor lauter Aufregung fast ins Auto. Sie redeten wild gestikulierend auf ihn ein.
Schließlich klärte sich alles auf. Die Frau, die Inge an dem vermeintlichen
Einbruch hindern wollte, war Elviras Zugehfrau und dachte Inge wollte
einbrechen. Nachdem Inge ihre Beweggründe für ihr Erscheinen darlegte, war
Rüdiger an der Reihe mit Erklärungen. Erschüttert erzählte er, dass Elvira sich
heute morgen sehr schlecht gefühlt hatte und ihre Arme und Beine kaum bewegen
konnte. Deshalb hatte er ihren Hausarzt gerufen, der vor Ort aber nichts
ausrichten konnte und meinte, dies müsste im Krankenhaus durchgecheckt werden.
Der Arzt bestellte auch gleich einen Krankenwagen und wies Elvira ins Hospital
ein.
„Hatte Elvira vorher schon gesundheitliche Probleme oder
ist das plötzlich gekommen?“, fragte Inge ihren Schwager.
„Elvira hat am nächsten Mittwoch einen Termin bei einem
Internisten, weil sie in den letzten Monaten immer Mal Beschwerden hatte. Wenn
Sie vom Tennisspielen oder von ihren Aerobicstunden kam, war sie jedesmal fix
und fertig. In der letzten Zeit, hat sie sogar alle sportlichen Termine abgesagt
und jammerte über Taubheitsgefühle in den Armen und Beinen. Euer Vater hat ihr
schon vor einem halben Jahr geraten zu einem Arzt zu gehen, damit sei nicht zu spaßen. Aber du kennst Elvira, die
immer die strahlende Sportlerin sein will. Sie tat Antons Warnung leichtfertig
ab und meinte nur: „Pah, Ärzte sind was für alte Leute.“ Erst als es
anscheinend gar nicht mehr ging, hat sie einen Termin gemacht.“
Inge war erschüttert, hoffentlich hatte ihre Schwester
nicht die Krankheit auf die es hindeutete. Jetzt verstand sie, warum Papa das
Elternhaus nicht an Elvira vererbt hatte.
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