Auch Du stirbst einsamer Wolf
treten.
Eines schönen Tages mußten wir einen Idiotentest machen, bei so einem Superschlauen. Der legte uns eine ganze Mappe voll Blätter auf den Tisch, die wir in einer gewissen Zeit ausfüllen mußten. So etwas Einfaches hatte ich schon einmal in der ersten Klasse der Grundschule gemacht. Wir mußten Kreise malen, einfache Rechnungen ausrechnen, wie zum Beispiel Sieben weniger fünf ist, ein paar Bilder anschauen und hinschreiben, was daran falsch ist. Bei den Bildern mußte man besonders gut aufpassen, denn die Bilder hatten keine kleinen Fehler, sondern solch gravierende, daß sie einem Blinden hätten auffallen müssen. Da war zum Beispiel ein Baum, an dem Eier wuchsen. Dort mußte man hinschreiben, daß auf einem Baum keine Eier wachsen. Dieser Test war also wirklich für Verrückte, wenn man dieses Idiotending überhaupt als Test bezeichnen kann.
Der Test ging eine halbe Stunde, und dann schien die Intelligenzbestie zu wissen, ob man gebildet war oder nicht.
Manchmal betete ich zu Gott, obwohl ich nicht an ihn glaubte, daß ich endlich aus diesem elenden Aubagne wegkäme. Bei denen, die schon länger da waren, stauten sich regelrechte Aggressionen an.
Manche Leute waren nur einen Tag da und wurden dann wieder entlassen, weil sie untauglich waren. Es konnte passieren, daß Leute wochenlang da waren, auf ihre Auswertung der Untersuchung warteten, dann doch noch für untauglich erklärt und wieder nach Hause geschickt wurden.
Wieder bei anderen ging es nur Tage, bis sie für tauglich erklärt wurden, und die kamen am Freitag darauf zum Transport in ein anderes Lager. Man wußte überhaupt nichts in diesem Laden und konnte nur warten und nochmals warten.
Eines Abends gingen Jimmy und ich, wie immer, in das Foyer. Ich kaufte mir einen Kakao an der Theke und verschwand an den Billardtisch, der einige Meter vom Ausschank entfernt war. Dort am Tisch standen noch ein paar andere Kollegen, die ich kannte. Sie alle machten einen friedlichen Eindruck. Aber wer konnte wissen, daß schon ein paar Minuten später die Hölle los war.
Jimmy stand noch immer in der Schlange am Ausschank, da das Foyer wie jeden Abend gerammelt voll war. Hinter ihm stand einer, der bekannt war, daß er immer Streit suchte. Dann kam Jimmy an die Theke, und der Kellner fragte ihn, was er wolle. Auf einmal sagte der Typ hinter ihm, der als nächstes drangekommen wäre:
»Hey du, Niggerarsch. Du kommst normalerweise als letzter dran. Weiße haben immer das Recht, vor einem Nigger bedient zu werden!«
Jeder im Foyer drehte sich um, da er dies sehr laut gesagt hatte. Dann antwortete Jimmy ihm:
»Wenn du das nicht zurücknimmst, dann haue ich dir den Schädel ein!«
»Das mußt du mal versuchen, du schwarzer Dreckarsch!«
Jimmy war nun nicht mehr zu halten, das konnte ein Blinder sehen. Mit einer Wahnsinnsgeschwindigkeit haute er dem anderen die Faust in den Magen und sprang von der Theke weg. Der andere, beugte sich nach vorne und taumelte auf den Ausschank zu. Dort hielt er sich fest. Jimmy stand da und wartete auf den Gegenangriff. Der andere drehte Jimmy den Rücken zu, denn er stand über den Tresen gebeugt. Auf einmal wirbelte er herum, hielt die Hand hoch, in der er eine Limonadenflasche hatte, machte einen schnellen Schritt auf Jimmy zu und haute ihm die Flasche über den Kopf. Jimmy schrie auf und hielt sich die Hände über den Kopf. Wie ein gefällter Baum ging Jimmy zu Boden, und der andere stürzte sich mit dem abgeschlagenen Flaschenhals, den er noch in der Hand hatte, auf den am Boden liegenden und schreienden Jimmy. Dann drückte er Jimmy den Flaschenhals ins Gesicht und drehte ihn dabei. Jimmy schrie auf und der Schrei war markerschütternd. Innerhalb von Sekunden war alles passiert.
Wir stürzten uns auf den Typen, rissen ihn von dem wehrlosen Jimmy los und schleiften ihn nach draußen. Wir konnten gar nicht so schnell reagieren, wie sich die Sache abgespielt hatte.
Jimmy hörte auf zu schreien, er war bewußtlos geworden. Ich kniete mich neben Jimmy hin und schaute mir die Bescherung an. Überall war Blut verschmiert, das Jimmy regelrecht aus den Wunden im Gesicht spritzte.
Die eine Hälfte des Gesichts war mit Schnittwunden übersät, und am oberen Ende der Stirn war eine große Wunde, die auch wie verrückt blutete. Da ich nicht wußte, was man in einem solchen Fall macht, rief ich dem Typ hinter dem Ausschank zu, daß er einen Krankenwagen rufen soll. Doch der starrte immer noch auf den am Boden liegenden Jimmy.
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