Auch Du stirbst einsamer Wolf
deutsch sagte, also selber ein Deutscher war, denn er sprach den Schwarzwälder Dialekt, wie man ihn bei uns zu Hause spricht.
Da konnte ich mich nicht mehr beherrschen und antwortete ihm:
»Sie sind ja selber eins und sagen es dann zu mir.«
Diesmal dachte bestimmt er, daß er nicht richtig gehört hätte, denn er schaute mich ganz entgeistert an und donnerte auf einmal los:
»Du mieses, kleines, dreckiges Bürschchen! Was glaubst du eigentlich, wer du bist? Und wie kommst du dir eigentlich vor?
So Scheißer wie dich habe ich schon oft genug untersucht, und die meisten waren Memmen! Du hast hier überhaupt nichts zu sagen und schon gar nicht das, was du eben losgelassen hast.
Das kannst du dir gleich merken. Wenn du ein Legionär werden willst, dann halte gefälligst deine Schnauze. Und jetzt fangen wir an mit der Untersuchung. Mal schauen, was du taugst!«
Da mir das zuviel war, was er gerade gesagt hatte, konnte ich die Bemerkung, die ich auf der Zunge hatte, nicht verbeißen und sagte zu ihm:
»Wenn Sie nicht so einen Mist gelabert hätten, dann könnten wir schon längst fertig sein.«
Diesmal sagte er nichts mehr, sondern grinste mich hämisch von der Seite an, was mich wunderte, bei dem Schandmaul, das er hatte. Aber er fing gleich mit der Untersuchung an.
Als erstes untersuchte er meine Lunge. Dazu mußte ich in ein Röhrchen blasen und das so fest, wie ich nur konnte. Auf einer Skala war ein Zeiger, der anzeigte, was meine Lunge draufhatte. Ich kam bis zum Anschlag. Der Arzt staunte nicht schlecht. Dann mußte ich zwanzig Liegestützen machen, und als ich schon bei der Neunzehnten war, sagte der Arzt zu mir:
»Mach noch schnell zehn dazu.«
Die machte ich auch noch schnell, da ich jeden Abend meine Liegestützen machte, aus Langeweile. Dreißig war genau mein Pensum, und ich brauchte mich nicht groß anzustrengen dabei.
Darauf hörte er mein Herz ab und maß mir den Puls. Dann mußte ich noch einen Sehtest machen, der mir auch nicht schwerfiel, denn ich hatte schon immer gute Augen. Meine Zähne schaute er an, als würde er ein Pferd kaufen und trug dann einige Sachen in eine Liste ein. Als er fertig war, sagte er zu mir:
»Naja, man kann es lassen. Für einen Deutschen bist du nicht schlecht beieinander.«
»Es sind eben nicht alle Deutschen gleich.«
Er schaute mich wieder an und grinste nur. Mich interessierte es immer noch, warum er mir kein Kontra gab, als ich ihm auf seine Beleidigungen geantwortet hatte, und deshalb fragte ich ihn: »Warum haben Sie mir vorhin kein Kontra gegeben, als ich auf Ihre Beleidigungen geantwortet habe?«
»Das ist ganz einfach, mein Junge. Wenn du mir keine gegeben hättest, dann wärst du für mich ein Waschlappen gewesen, da du Angst gehabt hättest vor mir. Du hast es dir aber nicht gefallen lassen, und so hast du deine Prüfung bei mir mit sehr gut bestanden.«
»Das freut mich aber, Herr Doktor!« sagte ich richtig schelmisch.
»Geh dort drüben in das Zimmer. Da ist noch ein anderer Arzt, der dich untersuchen muß. Aber der schaut nur, ob du noch alle Tassen im Schrank hast.«
Ich verschwand in das andere Zimmer. Dort saß ein Mann am Schreibtisch mit einer dicken Brille auf der Nase und glotzte mich dämlich an. Er hatte einen richtig durchbohrenden Blick, der mich irgendwie störte, obwohl ich gerade erst eingetreten war. Als der Typ mich genügend betrachtet hatte, mußte ich mich auf einen Stuhl setzen. Dann stellte er mir Fragen, die so etwas von behämmert waren, wie zum Beispiel: Wann haben sie ihren ersten Geschlechtsverkehr gehabt? Haben sie als Kind oft onaniert?
Wenn man solche Fragen gestellt bekommt, dann schaut man schon ein wenig dumm aus der Wäsche. Meiner Meinung nach gehörte dieser Typ in ärztliche Behandlung und nicht ich. Er schien sich an solchen Fragen aufzugellen, denn er stellte sie richtig lüstern. Da mir der Mann sehr unsympathisch war, gab ich ihm auf seine idiotischen Fragen auch idiotische Antworten. Wer dumm fragt, bekommt auch dumme Antworten.
Dieses Sprichwort ist allgemein bekannt. Als er mich fragte, wann ich das erstemal gevögelt hätte, sagte ich ihm: mit zwölf.
Und als er mich fragte, wie oft ich onaniert hätte als junger Kerl, da habe ich ihm gesagt: Bis zu sechsmal am Tag.
Auf einmal sagte er: »Oh, sie scheinen eine sehr gute Potenz zu haben, das freut mich aber.«
Nach diesem Satz wußte ich, daß er stockschwul war. Denn nur, wenn einer vom anderen Ufer war, benahm er sich so wie dieser
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