Auch Du stirbst einsamer Wolf
konnte nicht stundenlang im selben Lokal sitzen, ohne daß sich die Leute wunderten.
Um elf Uhr wollten wir uns auf den Weg machen, aber schon um zehn kroch in mir ein ganz komisches Gefühl hoch. Es war wieder mein alter Feigling in mir. Ich spielte mit dem Gedanken, das ganze Unternehmen abzublasen, aber ich machte es nicht, da ich es durchstehen wollte, und wenn es mich den Kopf kosten sollte. Außerdem wollte ich vor Peter nicht kneifen, da er sich auf mich verließ.
Die Warterei zerrte an den Nerven, und ich merkte, daß auch Peter von Stunde zu Stunde nervöser wurde. Ich wußte, daß wir beide Angst hatten, aber nun war die Sache organisiert, geplant, abgesprochen und mußte durchgeführt werden, ob wir wollten oder nicht.
Endlich schlug die Uhr elf, und wir konnten mit dem Unternehmen beginnen.
Wir machten uns auf den Weg zu unserem kleinen Ruderboot. Wir gingen den kleinen Küstenweg entlang. Dieser war nicht ungefährlich, und wir mußten höllisch aufpassen, denn auf der einen Seite ging es etliche Meter senkrecht hinunter. Wenn man dort hinunterfiel, war man tot, auch wenn sich die Wellen unten an den Klippen brachen. Denn diese Klippen, die wie große Zähne aus dem Wasser herausragten, waren scharf wie Rasierklingen, so daß man einen Sturz unmöglich überlebte. Vorsichtig und langsam liefen wir den Weg entlang und sprachen kein einziges Wort miteinander. Ich schwitzte wie ein Schwerarbeiter, mein Hemd war klatschnaß, denn ich hatte einen regelrechten Schweißausbruch.
Wir brauchten ein wenig länger, als wir geplant hatten. Aber das machte nichts, denn wir mußten noch bis ein Uhr warten.
Als wir auf dem Ruderboot waren, war es ein paar Minuten nach zwölf. Dort setzten wir uns erst einmal hin und verschnauften ein wenig. Dieser Weg war einfach höllisch und kostete Nerven.
Salem saß nun bestimmt zu Hause und bangte um uns, dachte ich mir, denn er wußte, wann wir das Unternehmen abzogen.
Als ich mich von diesem verdammten Küstenweg wieder erholt hatte, fragte ich Peter:
»Willst du auch einen Kaffee mit Schuß?«
»Einen Kaffee mit was?«
»Mit einem kleinen Kognak drin, für die Nerven.«
»Ja, das kann ich gebrauchen, denn meine Nerven sind zum Zerreißen angespannt.«
»Meine auch, und deshalb habe ich vorgesorgt.«
Ich hob die Plane des Ruderbootes hoch und holte eine Thermosflasche, zwei Plastikbecher und einen Flachmann hervor. Ich schenkte jedem von uns eines dieser nervenberuhi-genden Getränke ein. Als ich den ersten Schluck genommen hatte, merkte ich, wie sich eine Wärme in meinem Bauch ausbreitete. Auch Peter tat es gut, denn er sagte:
»Das tut gut, ich fühl mich schon besser.«
Dann war es soweit. Wir ließen das Boot ins Wasser gleiten.
Noch eine Viertelstunde; aber diese verdammten fünfzehn Minuten zerrten an den Nerven. Sie wurden fast zur Qual, und ich dachte, ich müßte verrückt werden. Wenn ein Mensch so etwas noch nie mitgemacht hat, kann er sich nicht vorstellen, wie ein paar Minuten jemanden fertigmachen können.
Endlich war es ein Uhr. Wir mußten aus der einen Bucht hinausrudern und in die nächste hinein, denn dort lag das Schiff. Die Strecke war nicht weit, vielleicht gerade zwei Kilometer, aber dieses Stück wurde zu einer Ewigkeit.
Wir wechselten uns immer ab, einmal ruderte er und dann wieder ich. Kein einziges Wort wurde gesprochen, denn wir wußten, was zu tun war. Die Jacht lag nur noch hundert Meter vor uns, und ich konnte ihre Umrisse genau erkennen. Stück für Stück kamen wir ihr näher. Dann waren wir bei ihr angelangt und vertauten unser Ruderboot.
Peter und ich stiegen auf die Jacht und stellten fest, daß sie nicht so klein war, wie sie vom Land aus aussah. In mir wurde es ruhiger, und ich konnte mich voll konzentrieren. Wir befestigten ein Tau am vorderen Teil des Schiffes und dies wiederum an unserem Ruderboot. Dann machten wir den Anker los und die beiden Trossen, die die Jacht an zwei Pfeilern, die steil aus dem Wasser ragten, festhielt. Als die Jacht nun von allen Seilen befreit war, sprangen wir so schnell es ging in unser Ruderboot, denn es trieb langsam auf die Klippen zu, die wie scharfe Zähne aus dem Wasser schauten.
Zu zweit saßen wir an den Rudern und legten alle Kraft hinein, die wir hatten. Langsam aber sicher bewegten wir uns aus der Bucht hinaus. Immer wieder schielte ich zur Villa hinauf, die über uns auf dem Hang lag, in der die Besitzer dieser Jacht seelenruhig schliefen und nicht ahnten, was unter ihnen
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