Auch ein Waschbär kann sich irren
verdienen.
Eine Weile später erweckte eine graue Buicklimousine mein Interesse. Der Wagen fuhr hinter mir her, immer im gleichen Abstand. Wenn ich langsam fuhr, verminderte auch er seine Geschwindigkeit; und sobald ich Gas gab, fuhr auch er schneller. Ich bog in irgendwelche Straßen ab und kehrte nach einer Weile zur Hauptstraße zurück: der Buick folgte mir unverdrossen!
Die Müdigkeit und die Lust, mich in meiner Einsiedelei zu vergraben, war verflogen.
Ich hielt an einem Drugstore, aß ein Sandwich, trank ein Glas Bier dazu und versuchte, ein wenig Ordnung in meine Gedanken zu bringen. Mein Telefongespräch mit Lennox war gewiß unverfänglich gewesen. Warum hatte er trotzdem San Franzisko angerufen? Doch sicherlich nur, weil auch er über Bills Tod seine eigene Meinung hatte. Lennox sah schließlich nicht aus wie ein Meuchelmörder, und Bills Tod ging ihm offensichtlich nahe. Wenn also dieser Offizier den gleichen Verdacht hatte wie ich, dann konnte er jetzt in mir einen Mann erblicken, der auf der Gegenseite stand: deshalb ließ er mich nun überwachen. Außerdem war ich jetzt felsenfest davon überzeugt, daß nur Mrs. Lennox mich angerufen haben konnte. Warum — ach, es gab unzählige Fragen.
In manchen Situationen bleibt einem nichts anderes übrig, als entweder still davonzuschleichen oder seine Karten auf den Tisch zu legen. Ich war in einer solchen Situation.
Da ich nicht beabsichtigte, mich davonzuschleichen, wenigstens jetzt nicht mehr, verließ ich mit ziemlichem Auftrieb das Lokal. Der graue Buick stand etwa 30 Schritte hinter meinem Wagen.
Ich ging hin. Der Fahrer war ein hellblonder Junge mit einem Dutzendgesicht. Man sah es ihm geradezu an, wie peinlich es ihm war, daß ich auf ihn zukam.
Ich flegelte mich in sein offenes Wagenfenster und sagte:
»Sei froh, Kamerad, daß ich nicht dein Chef bin. Sogar ich hab’ gemerkt, was los ist. Und damit du Bescheid weißt: wir fahren jetzt zum Chef zurück.«
Ich ließ ihn einfach sitzen und schleuderte zu meinem Wagen zurück. Es tut manchmal gut, wenn man einen noch Dümmeren findet.
Mit gehobenem Selbstbewußtsein kehrte ich auf dem kürzesten Wege zur Bentley Avenue zurück. Tatsächlich fuhr auch jetzt wieder der Buick hinter mir her und hielt unmittelbar an meiner Stoßstange. Der Junge blieb drin sitzen. Wir nickten uns grinsend zu.
Ich ging den mit roten Steinplatten ausgelegten Weg entlang durch die Büsche, bis man mich von der Straße aus nicht mehr sehen konnte. Unterwegs hatte ich mir zurechtgelegt, daß ich unbedingt das Mädchen sprechen müsse, ohne daß mich der Colonel vorher hinauswarf. Am besten, dachte ich, würde es sein, mich im Gebüsch zu verstecken und zu warten.
Ich kroch also in die Sträucher hinein. Als mir aber einfiel, daß Lennox mich nun, falls er mich in dieser Situation entdeckte, ohne weiteres verhaften und einsperren lassen oder gar auf mich schießen konnte — da krabbelte ich schleunigst wieder auf den Weg zurück. Es kann nicht jeder Mensch ein Held sein.
Als ich mich auf richtete, stand das Mädchen vor mir!
Sie trug ein einfaches, dunkelblaues Leinenkleid. In ihrem: halblangen blonden Haar schimmerte die Sonne, und ihre Augen waren von einem so tief dunklen Blau, wie ich es noch nie gesehen hatte.
Wir standen uns gegenüber, beide gleichermaßen überrascht.
»Eine etwas ungewöhnliche Art, einen Besuch zu machen«, sagte sie, »finden Sie nicht, Mr. Harper?«
»Wie man’s nimmt«, antwortete ich. »Es ist auch ein ungewöhnlicher Grund. Ich wollte nämlich mit Ihnen sprechen, und das scheint zu glücken. Außerdem heiße ich nicht Harper, sondern...«
»Warner«, vollendete sie meinen Satz. »Jimmy Warner, ich weiß.«
»Sie wissen das?«
»Ja. Ich wußte es schon vorhin, als Sie mit meinem Vater sprachen. Ich habe Sie vom Hause aus beobachtet und sofort erkannt. Ich bin Mary-Ann Lennox.«
»Das hab’ ich mir fast gedacht«, sagte ich ernsthaft. »Wie aber — wir haben uns doch nie gesehen?«
»Doch. Bill hatte ein paar Fotos, auf denen Sie mit drauf sind. Meinen Sie nicht, daß es besser wäre, wenn Sie noch mal mit Vater sprächen?«
»Meinen Sie?«,
»An Ihrer Stelle würde ich es tun.«
»Na schön, aber ich möchte auch noch mit Ihnen allein reden, um einige Kleinigkeiten zu klären. Sie haben mich doch in Phoenix angerufen, nicht wahr?«
»Ja.«
»Gott sei Dank! Dann ist ja alles in Ordnung. Sie sehen, ich bin da, auch wenn Sie’s mir nicht gerade leicht gemacht
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