Auch Frauen wollen nur das eine
Prinzessin in eine Welt der Sklaverei und Bestrafung, in der Fehlverhalten nie übersehen wird und die exquisite Belohnung des Orgasmus stets die Kehrseite des erotischen Leidens darstellt.
Keine Frau hat die Märchenwelt der Erwachsenen gründlicher und eloquenter erforscht als die verstorbene Angela Carter, die von Schauergeschichten fasziniert war und dank ihrer Fertigkeiten als Schriftstellerin Werke von lyrischer Exotik hervorbrachte. Sie selbst sagte: »Ich mochte immer schon … Schauergeschichten, grausame Erzählungen, Geschichten voller Wunder und Schrecken, märchenhafte Erzählungen, die direkt mit den Bildern des Unterbewussten spielen – Spiegel; das externalisierte Selbst; verwunschene Burgen und Wälder; verbotene sexuelle Wünsche.« 18 Wer die weibliche erotische Vorstellungskraft in der Literatur nachspüren möchte, der wäre gut beraten, Carters Werke zu lesen, insbesondere Blaubarts Zimmer: Märchen aus der Zwischenwelt (OT: The Bloody Chamber ), Nächte im Zirkus (OT: Nights at the Circus ), The Courtship of Mr Lyon , und Wolf-Alice . Erwähnenswert ist ebenfalls ihr nichtfiktionales Werk, vor allem Sexualität ist Macht. Die Frau bei de Sade (OT: The Sadeian Woman ).
Ein ähnlicher Prozess ist am Werk in vielen Fantasien in diesem Buch. Schauen Sie sich nur Traceys Story im folgenden Abschnitt an. Sie beschreibt, dass Filme, die im alten Rom spielten, sie früher anmachten, wie etwa Hercules , oder Filme, in denen schöne Sklavinnen gefangen und geschlagen wurden. Natürlich fügt sie sofort hinzu, dass sie im wirklichen Leben die freundlichste Person ist und nie jemandem etwas zuleide tun würde. Die Charaktere in Traceys Fantasie ähneln Figuren des Regisseurs Cecil B. DeMille. Wir wissen, dass das Leben in früheren Zeiten oft gemein, brutal und kurz war, aber in unserer Fantasie blenden wir die hässliche Realität oft aus: die schlechten hygienischen Verhältnisse und die todbringenden Krankheiten oder Seuchen. Stattdessen erschaffen wir eine idealisierte Vergangenheit, etwa ein mystisch verklärtes Mittelalter, wo jeder strahlend weiße Zähne hat. Auf einem Piratenschiff stoßen wir auf gut aussehende, zügellose Abenteurer, die uns nichts antun werden. Als wir sehr jung waren, haben wir gelernt, Zweifel und Unglaube abzustellen, und diese Fähigkeit begleitet uns im weiteren Leben. Nur so ist es uns möglich, Freude und Vergnügen zu empfinden, wenn wir uns Filme anschauen, Romane lesen oder ins Theater gehen. Dies ermöglicht es uns auch, ein üppiges und anregendes Fantasieleben zu haben. Wir brauchen unsere kollektiven Träume. Das ist wichtig für unser Wohlbefinden und ein Schlüssel, um herauszufinden, wer wir sind. Ohne Erinnerung oder Vorstellungskraft fehlt uns als Mensch etwas.
Obwohl wir gerne glauben, dass unsere erotischen Träumereien einzigartig und speziell sind, gibt es bei den Fantasien rund um die Unterwerfung mehr Übereinstimmungen als Unterschiede. Das Aussehen des »dominanten Anderen« mag zwar von Fall zu Fall variieren, aber sobald wir uns ausmalen, wie dieser Andere sich verhält, greifen wir auf einen Pool der kollektiven Archetypen zurück. Meistens ist das Objekt unserer Begierde ein gemeiner, launischer, großartiger, selbstbewusster Bastard – genau der Typ, der uns in Erinnerung ruft, was für ein bad girl wir doch sind. Er ist also eine Figur, die immer wieder in der Literatur von Frauen auftaucht, zum Beispiel in Stolz und Vorurteil (OT: Pride and Prejudice ) oder The Man Who Made Husbands Jealous, und ich wette, er wird uns auch noch eine Weile begleiten. Freud sagt, dass der Mensch seine Fantasien als seine intimsten Besitztümer wertschätzt und sich wohler dabei fühlt, seine Fehltritte zu bekennen als seine innersten Gedanken. Doch er fügt hinzu, nur eine unbefriedigte Person fantasiere, und wenn man zugibt, Tagträumen nachzuhängen – erotischen und anders gearteten – sei dies gleichbedeutend mit dem Bekenntnis der eigenen Unzulänglichkeit. Interessant ist es allerdings, dass ausgerechnet in der Zeit, in der Freud arbeitete, die Ausdrucksmöglichkeiten der fantastischen Imagination schlagartig zunahmen, und zwar in Form des Kinos, einer Industrie, die sich sozusagen dem Typus des kollektiven Träumens verschrieben hatte.
Glücklicherweise sind wir heute nicht mehr so schuldbeladen, dass wir uns beim Heranwachsen von den geheimen Vergnügen in unseren Fantasien verabschieden müssen. Gibt man offen zu, dass man Tagträumen nachhängt,
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