Auch keine Tränen aus Kristall
›lebenswichtig‹? Man hat mich davon unterrichtet, dass Sie unsere Sprache recht gut beherrschen, und nach allem, was ich bis jetzt hier gesehen habe, würde ich dem auch nicht widersprechen. Aber sind Sie sicher, dass Sie das Wort richtig gebrauchen?«
»Ja. Lebenswichtig.« Ryo fügte eine Geste maximaler Betonung hinzu, die an seine aufmerksamen Zuhörer nicht vergeudet war. »Lebenswichtig, vital, wie man in Ihrer Sprache auch sagt. Von Bedeutung für unser überleben, wegen der zunehmenden Übergriffe der AAnn und weil unsere Zivilisation dringend eines Anstoßes bedarf. Und vital für Sie, für Ihre geistige Stabilität.«
Einige der Beamten rutschten unruhig auf ihren Sitzgelegenheiten herum, aber der weißpelzige Mann in ihrer Mitte lachte nur. »Ich habe die Behauptungen studiert, die Sie unseren Psychotechnikern vorgetragen haben. Bündnisse werden nicht von Psychologen geschlossen.«
»Vielleicht wäre das gar keine so schlechte Neuerung«, meinte Sanchez leise.
Der Mann funkelte sie an. »Ich verstehe, Mr. Ryoz - Ryiez ...«
»Einfach Ryo«, sagte der Thranx.
»Ich verstehe Ihre Überlegung.« Er beugte sich vor, um in einem Papier zu lesen, das vor ihm auf dem Tisch lag, und redete dann weiter. »Sie stellen die Behauptung auf, dass eine Verbindung und ein Bündnis zwischen unseren Völkern für die geistige Gesundheit der menschlichen Gattung nützlich wäre.«
»Ich habe Gründe, das anzunehmen«, gab Ryo zu.
»Sie glauben also, Sie wären besser als wir?«
»Nicht besser, nur anders. Wie ich gerade feststellte, glaube ich, dass es viele Dinge gibt, die Sie als Gegenleistung dafür zu bieten haben, obwohl ohne Zweifel viele Beamte der Regierung von Hivehom dem widersprechen würden.«
»Sie haben da einen Anstoß erwähnt, den Ihre Zivilisation braucht«, warf ein anderer Beamter ein.
»Unsere Zivilisation ist in ungeheurem Maße erfolgreich. Wir haben seit Tausenden von Jahren Frieden zwischen den Gattungen genossen. Diese Stabilität hat den technischen Fortschritt unterstützt und genährt. Ebenso hat sie aber auch in anderen Bereichen zur Sterilität geführt. Ich finde beispielsweise viele Ihrer Kunstformen herrlich. Ihre Musik, die Art, wie Sie sich entspannen ... dort liegt große Energie, gleichsam ein Abbild Ihrer rassischen Hysterie. Dies sind die Bereiche, in denen sich Ihre zerebralen Furien austoben. Wir könnten ein anderer solcher Bereich sein. Es würde uns beiden nützen.«
»Dann wollen Sie unsere Energie kanalisieren?« fragte der fette Mann gefährlich.
»Nein, nein!« Ryo mühte sich ab, seine Verzweiflung, so gut er das konnte, in menschlichen Ausdrücken zu vermitteln, ohne dabei Gesten zu gebrauchen. Es kostete beständige Anstrengung, nur mit Luft zu sprechen und nicht mit den Gliedmaßen und dem Körper. »Ich will Sie nicht kanalisieren, will nicht, dass Sie irgendwie gelenkt werden. In alldem ist nichts, was auf Beherrschung hinausläuft. Ich möchte nicht, dass wir etwas für Sie tun oder Ihnen etwas antun. Nur mit Ihnen.«
»Mit uns.« Der Beamte überlegte. »Eine schöne Empfindung, aber wie Sie selbst zugeben, wird es schwierig sein, Ihr eigenes Volk davon zu überzeugen.«
»Zuerst werden sie vor Ihnen Angst haben, so wie sie vor der Mannschaft dieses Schiffes Angst hatten. So wie ich Angst hatte. Wir müssen unsere alten Emotionen überwinden. Wir alle. Das Äußere darf die Vernunft nicht beeinflussen. Und ebenso wenig Ihre psychotischen Tendenzen.«
»Wir haben keine psychotischen Tendenzen.« Der Beamte schien sich unbehaglich zu fühlen.
»Sprechen Sie doch mit Ihren eigenen Beratern«, riet ihm Sanchez. »Studieren Sie die Geschichte der Menschheit. Wir sollten keine Angst davor haben, zuzugeben, dass wir sind, was wir sind.«
»Bedenken Sie doch Ihre eigene geistige Verfassung in diesem Augenblick«, fügte Rijseen hinzu. »Und dann sehen Sie sich dieses Alien an, das Ihnen gegenübersitzt. Es ist weit von zu Hause entfernt und befindet sich unter Geschöpfen, die für ihn von unübertroffener Hässlichkeit sind. Sehen Sie, wie ruhig er ist, wie entspannt, wie gelockert.«
Das stimmte nicht ganz, dachte Ryo. Aber er würde ganz bestimmt die Hypothese des Wissenschaftlers nicht widerlegen.
»Würde ein Mensch in derselben Situation so reagieren? Wir wissen, dass er das nicht würde. Wir wissen, warum Captain Sanchez und ihre Leute es nicht getan haben, und dabei waren sie für eine solche Konfrontation ausgebildet. Sie haben um sich
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