Auch keine Tränen aus Kristall
verlegt worden. Niemand bewachte die Werkzeuge oder Geräte, die davor abgestellt waren. Nicht, dass Diebstahl in den größeren Waben völlig unbekannt gewesen wäre; aber in einer Gemeinschaft von der Größe von Paszex war schweres Material sicher, denn es gab keinen Ort, an den man es hätte bringen können.
Dieses Vertrauen reichte freilich nicht so weit, dass man auch die Zündungen eingeschaltet gelassen hätte. Unvernunft gab es in Paszex in Proportion zur Zahl der Bevölkerung. Ryo war eine gute halbe Stunde damit beschäftigt, eine Erntemaschine so zu präparieren, dass man sie leicht in Gang setzen konnte.
Die Maschine war dazu eingesetzt, schwere Ladungen von den Feldern zu den Bearbeitungsschächten zu transportieren. Mit der Vertrautheit, die sich gleich wieder einstellte, ließ er den Motor an. Die Erntemaschine setzte sich ohne einen Ruck auf drei Reihen von Ballonrädern in Bewegung.
Als er die Maschine vor dem Eingang abstellte, den er zu benutzen gedachte, gab es einen etwas schwierigen Augenblick, denn immerhin hätte ein nächtlicher Passant sich darüber wundern können, weshalb die große Maschine so weit von ihrem Einsatzort parkte. Aber niemand ließ sich sehen.
Nachdem er die Innentemperatur der Ladebrücke der Erntemaschine so umgestellt hatte, wie er das brauchte, glitt er aus dem Steuerhäuschen und betrat die Wabe. Nichts Ungewöhnliches schlug seinen Sinnen entgegen, und doch fühlte er sich nicht ganz so zu Hause, wie er das angenommen hatte. Nichts war anders, nichts war verändert worden. Er hatte den größten Teil seines Lebens in eben den Korridoren verbracht, in denen er sich jetzt bewegte. Und doch war da etwas anderes, und er fürchtete, dass es auf Dauer so war.
Der größte Teil der Bürger schlief, aber einige waren noch hart an der Arbeit. Beispielsweise die Instandsetzungstrupps, die die Korridore für den nächsten Tag vorbereiteten. Er würde mit einiger Vorsicht vorgehen müssen.
Er ging einige Etagen in die Tiefe, bog um eine vertraute Ecke und war jetzt fast am Ziel. Hier waren die Arbeiter eifriger am Werk als sonst irgendwo in Paszex. Das war für ihn nicht überraschend. Er wusste, dass es so sein würde, aber er konnte es nicht vermeiden.
»Guten Abend«, sagte der Monitor.
»Guten Abend.«
»Es ist sehr spät.«
»Ich weiß, aber ich konnte nicht einschlafen, und da dachte ich mir, ich würde mir die neue Brut ansehen.« Thranx hatten keine Nichten und Neffen. Eine neue Geburt gehörte allen im Clan. Die Beziehung war hinreichend allgemein, dass Ryo glaubte, man würde ihm Zutritt gewähren, einfach weil er ihn verlangte. Jeder Clan hatte Larven in dem Pflegehort.
Der Monitor fand an seiner Bitte nichts Ungewöhnliches. »Schon gut. Aber seien Sie leise. Sie schlafen alle.«
»Ich weiß. Ich werde sie nicht wecken.«
Er betrat den eigentlichen Pflegehort. Die langen Reihen leicht gebogener Studiersättel lagen geordnet vor den verglasten Wänden. Zwischenwände bildeten einzelne Zellen. Etwa drei Viertel der Sättel waren von Larven in verschiedenen Reifestadien besetzt.
Wieviele Jahre war es her, dass er selbst auf einem solchen Sattel gelegen hatte? dachte er. Unbeweglich, nach Wissen und Nahrung dürstend, Tage in trägem Studium, mit seinen Pflegegefährten verbringend und auf die Metamorphose wartend.
Jetzt war er wieder in der Brutstätte, nur mit einem anderen Ziel. Ein Blick von der Tür aus zeigte ihm, dass nur drei Pfleger zugegen waren. Selbst das schien beunruhigend. Sie gingen schnell und geschäftig ihrer Arbeit nach.
Keiner der Pfleger störte ihn oder dachte daran, seine Anwesenheit in Frage zu stellen, während er langsam den Mittelgang entlangschlenderte. Die Sattelkonstruktionen waren, solange er lebte, nicht geändert worden. Alle waren tragbar, und jeder besaß einen kleinen Motor und konnte damit ohne Mühe bewegt werden, falls man den betreffenden Insassen in die Ärztestation oder in eine andere Abteilung bringen wollte.
Er tat so, als betrachte er bewundernd einen Jungen am Ende des Gangs. Der Notausgang sollte ganz nahe sein. Dabei handelte es sich nicht um Überbleibsel aus der Antike, wo jede Thranx-Brutstätte sie besaß, vielmehr waren sie als wichtige Notausgänge für den Fall eines Brandes gedacht.
Der Ausgang sollte zu einer Rampe am Wabenrand führen. Auf der Benutzung solcher Gänge außerhalb von Notzeiten standen schwere Strafen. Aber das gleiche galt natürlich für Entführung. Das Zusammenfließen von
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