Auch keine Tränen aus Kristall
Sie überlegte, ob sie ihre Clan-Mutter davon in Kenntnis setzen sollte. Das wäre eine gute Idee, sagte sie sich. Vielleicht konnte ein weiserer Kopf dem Ganzen mehr Sinn abgewinnen. Jedenfalls konnte es nichts schaden, sich die Meinung von jemand anderem anzuhören, selbst wenn Broh sie instruiert hatte, das, was er ihr mitgeteilt hatte, gegenüber niemandem zu erwähnen. Ryo würde sie es natürlich auch sagen; darauf hatte er ein Recht. Und Ryo mit seiner Intelligenz würde die etwas wirre Mitteilung vielleicht sogar verstehen.
Sie warf einen beiläufigen Blick auf die Monitore am oberen Träger ihrer Weste. Bald würde Badezeit sein. Das war eine Aufgabe, auf die sie sich freute; es machte ihr Spaß, die Kleinen zu waschen, in dem Wissen, dass ihr weiches weißes Fleisch bald einem juwelenähnlichen Kokon weichen würde, aus dem schließlich frisch und glänzend ein neuer Erwachsener in die Welt hinaustreten würde. Es bereitete Fal immer wieder Freude, dass sie und ihre Kollegen im Hort mithelfen durften, jene wundersame Verwandlung herbeizuführen.
Nach dem Abendessen, als sie und Ryo sich niedergelassen hatten, um ein wenig zu lernen, sich zu unterhalten und miteinander zu reden, trat sie an die Konsole ihrer Wohnung und ließ die persönlichen Nachrichten des Tages ablaufen. Die von Broh ließ sie langsam laufen.
»Ist das nicht das Eigenartigste, was du je gesehen hast?« fragte sie ihn, als die Nachricht langsam den Schirm hinaufkroch. »So emotional und so zusammenhanglos. Das passt überhaupt nicht zu ihm, Ryo.«
Aber ihr Gefährte hörte sie kaum. Zuerst hatte er seine Langeweile verborgen, indem er ihr höflich zuhörte, während die Botschaft über den Schirm lief. Striche und Winkel bildeten Worte vor ihm.
Aber als dann der Inhalt der Botschaft langsam zutage trat, durchbohrte ihn etwas wie ein Skalpell eines Chirurgen. Er hob den Kopf vom Sattelkissen und starrte auf den Bildschirm. Fal hörte er kaum.
Als die Nachricht vorbei war, ertönte ein Summen, und dann blitzte links vom Schirm ein Licht auf. Ryo verließ sofort seinen Sattel und ging an das Gerät, um es nachzustellen. Die Nachricht lief ein zweites Mal ab, diesmal noch langsamer.
»Dann siehst du also auch, was ich meine«, sagte sie, als die Wiederholung abgeschlossen war und der Bildschirm die Tagesnachrichten brachte. Sie lehnte sich nach rechts und ließ die Beine auf den Boden herab.
»Ja.« Ryos Antwort klang ganz dünn, als versuchte er, durch seine Tracheen zu pfeifen statt durch seine Kiefer. Das war ein Trick, den einige Thranx beherrschten, aber er schien es nicht absichtlich zu tun.
»Nun, was hältst du davon?«
»Was ich davon halte?« Er drehte sich herum und sah sie an. Seine Finger bewegten sich in instinktiven Mustern, die große Erregung verrieten. »Das ist ganz einfach das Wunderbarste, was je geschehen ist!« Das war ganz und gar nicht die Reaktion, die sie von Ryo erwartet hatte, obwohl sie vielleicht, wenn sie gründlicher darüber nachgedacht hätte, gar nicht so überrascht gewesen wäre. Tatsächlich hätte sie dann vielleicht sogar Brohwelporvots Nachricht überhaupt nicht erwähnt.
»Das bedeutet, dass wir eine völlig neue, völlig fremdartige, raumfahrende Intelligenz gefunden haben!«
»Eine Rasse von Ungeheuern, meint Broh.« Fal war über die Heftigkeit seiner Reaktion überrascht.
»Erste Eindrücke zählen da nicht. Ich muss sie natürlich selbst sehen.«
»Das ist ein sehr amüsanter Gedanke.«
»Das ist mir sehr ernst«, erwiderte Ryo und fügte eine unverkennbare Geste Nachdruck fünften Grades hinzu.
»Das glaube ich dir nicht. Warum den so mühsam ausgehobenen Bau mit Schmutz füllen? Was du sagst, gibt noch weniger Sinn ab als die Nachricht.«
Weil da in mir etwas ist, das mich dazu drängt, das zu tun, dachte er. Es hing alles irgendwie mit dem zusammen, was er in all den Jahren verpasst zu haben glaubte. Die Nachricht eines verstörten entfernten Verwandten hatte die verborgene Glut zu einem wahren Waldbrand entfacht. Und jetzt war es zu spät, die Glut zu löschen.
Fal redete weiter, und ihre Stimme und ihre Gesten waren voll Verwirrung. »Es gibt doch keinen Sinn, einfach keinen Sinn. Du hast doch damit nichts zu tun. Was ist denn mit deinem Auftrag, deiner Arbeit?«
»Das können andere erledigen.«
»Das meine ich nicht. Man wird dich bald in den Rat der Company befördern. Die Wabe hat eine hohe Meinung von dir - und was ist mit uns? Du hast andere Pflichten.« Sie glitt
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