Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Auch Pünktlichkeit kann töten: Crime Stories

Auch Pünktlichkeit kann töten: Crime Stories

Titel: Auch Pünktlichkeit kann töten: Crime Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
Vom Netzwerk:
die Polizei.«
    »Wie viele Stimmen haben Sie gehört?«
    »Das kann ich nicht sagen, Sir. Ich habe nur die Stimme der Dame gehört.«
    »So, so.«
    »Verzeihung, Sir, aber Dr. Ryan ist noch im Haus, falls Sie ihn gern sehen möchten.«
    Wir gingen begierig auf den Vorschlag ein, und nach wenigen Minuten gesellte sich der Doktor, ein heiterer Mann in mittleren Jahren, zu uns und gab Poirot jede gewünschte Auskunft. Reedburn hatte nahe am Fenster gelegen, mit dem Kopf dicht beim marmornen Fenstersitz. Er hatte zwei Wunden gehabt, eine zwischen den Augen und die andere, die tödliche, am Hinterkopf.
    »Lag er auf dem Rücken?«
    »Ja, da ist noch die Spur.« Er zeigte auf einen kleinen dunklen Fleck am Boden.
    »Hätte die Wunde am Hinterkopf nicht durch den Aufprall auf den Boden verursacht sein können?«
    »Unmöglich. Die Waffe, die benutzt worden ist, drang ziemlich tief in den Schädel ein.«
    Poirot blickte nachdenklich vor sich hin. In jeder Fensternische befand sich ein aus Marmor gehauener Sitz, dessen Armlehnen die Form eines Löwenkopfes hatten. Poirots Augen leuchteten plötzlich auf. »Wenn er nun rückwärts auf einen dieser vorspringenden Löwenköpfe geschlagen und dann zu Boden geglitten wäre, könnte das nicht die von Ihnen beschriebene Wunde verursacht haben?«
    »Ja, das wäre möglich. Aber der Winkel, in dem er zum Fenstersitz lag, schaltet diese Theorie aus. Und außerdem hätten Blutspuren auf dem Marmor vorhanden sein müssen.«
    »Die hätten abgewaschen werden können.«
    Der Doktor zuckte die Achseln. »Das ist kaum anzunehmen. Was hätte der Betreffende davon, wenn er einem Unfall den Anschein eines Mordes geben würde?«
    »Da haben Sie recht«, stimmte Poirot bei. »Hätte einer der Schläge nach Ihrer Ansicht von einer Frau ausgeführt werden können?«
    »Oh, ganz ausgeschlossen, möchte ich wohl sagen. Sie denken sicher an Mademoiselle Saintclair, nicht wahr?«
    »Ich denke an keine bestimmte Person, bis ich meiner Sache sicher bin«, sagte Poirot sanft.
    Er wandte seine Aufmerksamkeit der offenen Terrassentür zu, und der Doktor fuhr fort:
    »Durch diese Tür ist Mademoiselle geflohen. Man kann Daisymead dort zwischen den Bäumen erkennen. Nach vorne zu gibt es natürlich viele Häuser an der Straße, die schneller zu erreichen sind. Aber zufälligerweise ist Daisymead, obgleich ziemlich weit entfernt, das einzige Haus, das auf dieser Seite sichtbar ist.«
    »Ich danke Ihnen für Ihre Liebenswürdigkeit, Herr Doktor«, sagte Poirot. – »Kommen Sie, Hastings, wir wollen in Mademoiselles Fußstapfen treten.«

    Poirot ging voran, erst durch den Garten, dann durch ein eisernes Tor, quer über eine kleine Wiese und schließlich durch das Gartentor von Daisymead. Daisymead war ein anspruchsloses kleines Haus, das auf einem Grundstück von ungefähr zwanzig Ar stand. Eine kurze Treppe führte zu einer Glastür empor. Poirot nickte in Richtung der Tür.
    »Durch diese Tür ist Mademoiselle Saintclair gegangen. Wir, die wir keinen so dringlichen Grund haben, gehen am besten zur Haustür.«
    Ein Mädchen öffnete die Tür, führte uns in den Salon und ging dann fort, um Mrs. Oglander zu holen. Der Raum war offenbar seit dem gestrigen Abend nicht aufgeräumt worden. Die Asche lag noch im Kamin, und der Bridgetisch stand noch mitten im Zimmer. Ein Strohmann war aufgedeckt, und die Handkarten waren hingeworfen. Der Raum war mit kitschigen Ornamenten überladen, und zahlreiche Familienfotos von unbeschreiblicher Häßlichkeit zierten die Wände. Poirot betrachtete sie mit nachsichtigeren Blicken als ich und hängte einige, die schief waren, wieder gerade. »Die Familie«, sagte er, »sie ist doch ein starkes Band, nicht wahr? Sentiment tritt an die Stelle von Schönheit.«
    Ich pflichtete ihm bei, während meine Blicke sich auf eine Familiengruppe hefteten, die einen bärtigen Mann, eine Frau mit hoch aufgetürmtem Haar, einen sturen, untersetzten Jungen und zwei kleine Mädchen mit unzähligen überflüssigen Bandschleifen darstellte. Ich hielt es für eine Aufnahme der Familie Oglander aus früheren Tagen und studierte sie mit Interesse. Die Tür öffnete sich, und eine junge Frau kam herein. Ihr dunkles Haar war hübsch frisiert, und sie trug einen mausgrauen Sportmantel mit passendem Tweedrock. Sie blickte uns forschend an. Poirot ging auf sie zu. »Miss Oglander? Es tut mir leid, Sie stören zu müssen – besonders nach allem, was Sie gestern durchgemacht haben. Es muß sehr aufregend

Weitere Kostenlose Bücher