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Auch Pünktlichkeit kann töten: Crime Stories

Auch Pünktlichkeit kann töten: Crime Stories

Titel: Auch Pünktlichkeit kann töten: Crime Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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sehen kann. Wollen Sie es ihr bitte sagen?«
    Sie führte uns in den Salon, wo wir warteten. Im Vorübergehen erhaschte ich einen flüchtigen Blick von der Familie im Eßzimmer. Diesmal waren zwei schwere, kräftige Männer dabei, einer mit Schnurrbart, der andere mit Vollbart. Nach einigen Minuten kam Mrs. Oglander ins Zimmer und blickte Poirot, der sich verbeugte, fragend an.
    »Madame, in unserem Lande ist die Mutter Mittelpunkt einer tiefen Liebe und Verehrung. La mère de famille, sie bedeutet für uns alles!«
    Mrs. Oglander schien über diese Einleitung sehr erstaunt zu sein.
    »Nur aus diesem Grunde bin ich nochmals hierhergekommen. Ich möchte die Angst einer Mutter beschwichtigen. Mr. Reedburns Mörder wird nicht gefunden werden. Haben Sie keine Angst. Ich, Hercule Poirot, gebe Ihnen diese Versicherung. Ich habe doch recht, nicht wahr? Oder muß ich Sie in Ihrer Eigenschaft als Gattin beruhigen?«
    Es entstand eine kurze Pause. Mrs. Oglander blickte Poirot forschend in die Augen. Zuletzt sagte sie ganz ruhig: »Ich weiß nicht, wie Sie es erraten haben – aber Sie haben recht.«
    Poirot nickte ernst. »Das wäre alles, Madame. Beunruhigen Sie sich nicht. Ihre englischen Polizisten haben nicht die Augen eines Hercule Poirot.« Er tippte mit dem Fingernagel auf das Familienporträt an der Wand.
    »Sie hatten früher noch eine Tochter. Sie ist wohl tot, Madame?«
    Wieder trat eine Pause ein, während sie in seinen Zügen forschte. Dann antwortete sie: »Ja, sie ist tot.«
    »Ah!« sagte Poirot lebhaft. »Nun, wir müssen in die Stadt zurück. Gestatten Sie mir, daß ich den Kreuzkönig wieder in das Kartenspiel lege? Das war der einzige Fehler, den Sie gemacht haben. Sie wollen eine Stunde lang Bridge mit nur einundfünfzig Karten gespielt haben – na, das glaubt Ihnen keiner, der die geringste Ahnung von dem Spiel hat, auch nur für eine Minute. Bonjour!«
    »Und nun, mein Freund«, sagte Poirot auf dem Wege zum Bahnhof, »ist Ihnen doch alles klar, nicht wahr?«
    »Gar nichts ist mir klar! Wer hat Reedburn denn getötet?«
    »John Oglander junior. Ich war mir nicht ganz sicher, ob es der Vater oder der Sohn gewesen war. Aber ich tippte auf den Sohn, da er der stärkere und jüngere von den beiden ist. Es mußte einer der beiden sein wegen des Fensters.«
    »Warum?«
    »Die Bibliothek hatte zwei Türen und zwei Fenster. Aber offenbar kam nur eins in Frage. Das andere Fenster und die beiden Türen gingen direkt oder indirekt nach vorn. Die Tragödie mußte am Gartenfenster stattfinden, damit es den Anschein erweckte, als sei Valerie Saintclair ganz zufällig nach Daisymead gekommen. In Wirklichkeit wurde sie natürlich ohnmächtig, und John Oglander trug sie auf seinen Schultern nach drüben. Deshalb sagte ich, es müsse ein starker Mann gewesen sein.«
    »Dann sind sie also zusammen hingegangen?«
    »Ja. Sie erinnern sich vielleicht noch daran, wie Valerie zögerte, als ich sie fragte, ob sie keine Angst gehabt habe, sich allein in die Höhle des Löwen zu wagen. John Oglander begleitete sie – und das hat Reedburns Laune nicht gerade verbessert. Sie zankten sich, und wahrscheinlich hat Reedburn eine beleidigende Bemerkung über Valerie fallenlassen, die John Oglander veranlaßte, ihn zu schlagen. Das übrige wissen Sie.«
    »Aber was hat das Bridgespiel damit zu tun?«
    »Bei Bridge setzt man vier Spieler voraus. So eine einfache Tatsache wirkt oft sehr überzeugend. Wer hätte vermutet, daß nur drei Leute den ganzen Abend über im Zimmer waren?«
    Manches war mir immer noch rätselhaft.
    »Ich verstehe eines nicht. Was haben die Oglanders mit der Tänzerin Valerie Saintclair zu tun?«
    »Ah, ich bin überrascht, daß Sie das nicht erkannt haben. Dabei haben Sie das Bild an der Wand doch lange genug betrachtet – länger als ich. Mrs. Oglanders Tochter mag für ihre Familie tot sein. Aber die Welt kennt sie als Valerie Saintclair!«
    »Was?«
    »Haben Sie denn nicht die Ähnlichkeit bemerkt, als Sie die beiden Schwestern zusammen sahen?«
    »Nein«, bekannte ich. »Mir fiel nur ihre Unähnlichkeit auf.«
    »Das kommt daher, weil Sie sich so sehr von äußeren Eindrücken beeinflussen lassen, mein lieber Hastings. Die Züge der beiden sind fast identisch. Ebenso die Gesichtsfarbe. Interessant ist es, daß Valerie sich ihrer Familie schämt und umgekehrt. Trotzdem wandte sie sich im Augenblick der Gefahr an ihren Bruder um Hilfe, und als die Sache schiefging, hielten sie alle zusammen wie Pech und

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