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Auch Santiago hatte einen Hund

Auch Santiago hatte einen Hund

Titel: Auch Santiago hatte einen Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Lindenthal
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Zugang zum Pilgern), zum anderen hat man sich bei der Festlegung des Wegverlaufs wenig Mühe gegeben, gangbare, schöne Wege zu finden: ein Husch-Pfusch-Produkt, mit viel Geld von der EU finanziert. Abgesehen von den ersten Kilometern in der Früh bin ich ausschließlich auf Asphalt unterwegs. Am meisten ärgert mich jedoch, dass die markierte Route oft in beträchtlicher Entfernung (bis zu drei Kilometer, für den mit Rucksack beladenen Pilger sind das hin und retour 90 Minuten) an den in der Broschüre beschriebenen Ortschaften vorbeiführt. Da hat man eindeutig nicht an die Pilger, sondern an Autotouristen gedacht. Der Jakobsweg wird nur als Vorwand gesehen, Touristen in die Region zu locken. Auch in Österreich haben sich die Touristiker mancher Abschnitte des Jakobsweges bemächtigt, doch ich tröste mich damit, dass der Jakobsweg und die Pilgertradition in ihrer mehr als 1000-jährigen Geschichte schon andere und schlimmere Instrumentalisierungen (die Reconquista in Spanien und vor allem die Eroberung Lateinamerikas) überlebt haben. Da werden sie wohl auch durch den Tourismus nicht kaputtzukriegen sein! Meinen ganz persönlichen Zu180 Vordere Seite: raus aus Roquefort gang zum Pilgern kann mir außerdem niemand wegnehmen, ebenso wenig die Freiheit, meinen Weg, gestützt auf viel Erfahrung und gute Karten, selber zu suchen. Ist eigentlich ein gutes Lebensmotto, werd ich mir merken.
    Mittagsrast mache ich heute erst spät, am schönen Picknickplatz neben der romanischen Kirche von SAINT-HILAIRE-DE-LA-NOAILLE. Damit führe ich eine jahrhundertealte Tradition fort, denn früher betrieben hier die Benediktiner von LA RÉOLE eine Pilgerherberge, die dem heiligen Jakobus geweiht war. Bis LA RÉOLE sind es nur mehr eineinhalb Stunden, doch ich weiß, dass ich viel Kraft brauchen werde, denn zum krönenden Abschluss des Tages steht mir noch was ganz Besonderes bevor. Das Haus von Manus Familie liegt westlich der Stadt, zu erreichen nur über 2,5 Kilometer auf der N 113, der extrem stark frequentierten Nationalstraße von TOULOUSE nach BORDEAUX. Selbst bei „Pilger-Schnellgang“, alle Reserven mobilisierend, benötige ich dafür mindestens 30 Minuten. Während dieser Grenzerfahrung, sowohl physisch als auch psychisch (nirgendwo fühle ich mich fremder und deplatzierter, außerhalb meiner Zeit, als Außerirdischer, denn als Pilger mit Stock und Rucksack auf solch einer Straße), fasse ich den Entschluss, morgen noch eine Etappe anzuhängen. Denn so will ich nicht aufhören!
    Manu und Finou sind mit ihren Kindern am Meer, sie kommen Sonntagabend zurück, doch seine Geschwister Mayliss und Marc erwarten mich schon. Nach dem obligaten Willkommensbier und der Dusche tischen sie mir magret de canard, gegrillt, und Rose aus der Region auf - ein Traum. Meine Gastgeber essen und hören zu, während ich esse und erzähle, erzähle, erzähle. So viel gibt es, das ich erlebt habe und das jetzt endlich raus will, so erleichtert bin ich über das Erreichen meines Ziels und das Ende meiner Einsamkeit. Als Marc von meinem Entschluss hört, morgen noch eine Etappe - sozusagen einen Epilog - anzuhängen, lädt er mich spontan ein, mit ihm und seiner Frau Veronique bei ihnen zu Hause zu frühstücken. Sie wohnen südlich der Stadt, schon am anderen Ufer der Garonne, direkt am Jakobsweg, ich kann von dort aufbrechen. Um sieben Uhr soll ich bereit sein, er wird mich mit dem Auto abholen. Mir fällt ein Stein vom Herzen, denn vor dem Spießrutenlauf auf der N 113 wieder zurück in die Stadt hat mir schon gegraut. Innerhalb von 24 Stunden zweimal diese Grenzerfahrung, nein danke!

    LA RÉOLE an der Garonne
     
     
    Um das Maß der Glückseligkeit voll zu machen, ruft Jean-Jacques, ein Schwager der Familie, an und als er hört, dass ich morgen nach BAZAS, der Bischofstadt in den LANDES, aufbreche, bietet er sich sofort als Chauffeur für die Rückfahrt nach LA RÉOLE an. Er habe schon viel über den Jakobsweg geforscht und gelesen, da könne er endlich einmal nach Herzenslust mit einem Pilger aus Fleisch und Blut diskutieren. Und abends sei ich bei ihm und seiner Frau Marie-Noelle zum Essen eingeladen, da könnten wir weiterreden.
    Was für ein Abschluss! Nicht nur ist mir die Sorge genommen, wie ich aus BAZAS nach LA LA RÉOLE zurückkomme, nein, Herzlichkeit, Wärme und Freundschaft brechen über mich herein, dass es beinahe nicht auszuhalten ist...
     
    Letzte Pilgerreise zu zweit
     
    Meine Forschungstätigkeit zur Rekonstruktion eines

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