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Auch Santiago hatte einen Hund

Auch Santiago hatte einen Hund

Titel: Auch Santiago hatte einen Hund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Lindenthal
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Tochter von Finou und Manu, meinem petit monstre, herumgeblödelt habe. In den letzten Tagen habe ich wieder meine Mitte gefunden, seelisch und körperlich. Die Hitze und die Einsamkeit der letzten zehn Tage haben doch an meiner Substanz gezehrt, das habe ich an den beiden Ruhetagen, umgeben und verwöhnt von meinen Freunden, erst richtig gespürt.
    Der „Nachschlag“ vom Samstag, an dem ich zum Ausklang meines Abenteuers noch einmal kräftig Gas gegeben habe, verlief fast wie gewohnt, vielleicht noch eine Spur abenteuerlicher. Marc hatte mich wie vereinbart abgeholt, nach dem Frühstück mit ihm und Veronique ging es hinaus in den frischen Morgen. Mein Rucksack war federleicht: Da ich am Abend wieder in LA RÉOLE sein würde, hatte ich bloß Gepäck für einen Tagesausflug mitgenommen. Herrlich, so leicht zu sein, beinahe zu schweben (okay, ich übertreibe)! Die Jakobswegbroschüre für Autotouristen hatte ich zwar mit, aber ganz unten im Rucksack verstaut. Lieber vertraute ich da der Karte, doch auch diese bescherte mir am Vormittag eine Überraschung. Zum zweiten Mal schon zeigte sie einen Weg an, den es nicht oder nicht mehr gab. Als ich endlich realisiert hatte, dass da, wo nach meiner Berechnung vor 20 Minuten ein Weg hätte abzweigen müssen, tatsächlich keiner abzweigte, musste ich den Wald nach Gefühl und Nase weglos durchqueren, um wieder auf eine südwärts führende Straße zu stoßen. Ich schaffte es, dank meines mit der Erfahrung geschärften Orientierungsvermögens, ohne allzu großen zusätzlichen Zeit- und Kraftaufwand. Das Queren machte mir sogar Spaß (als Bub hatte ich immer davon geträumt, Trapper zu werden), das war echte Wegsuche! Zweimal noch bahnte ich mir auf diese Art meinen Weg über Bäche, Waldstücke, Unterholz, verwilderte Wiesen und Kuhweiden nach Süden, doch bewusst und freiwillig. Die Alternative wären viele Kilometer auf Asphalt gewesen, und da war meine Präferenz eindeutig. So blieben bis zur alten Bischofsstadt BAZAS nur fünf Kilometer, die ich am Straßenrand tippeln musste, unterbrochen durch die Mittagsrast an einem traumhaft schönen Platz. Ein wenig abseits entdeckte ich einen alten, etwas vernachlässigten, überdachten Waschplatz mit eiskaltem, quellfrischem Wasser. Diesen Luxus hatte ich noch nie!
    Gestärkt, ausgeruht und mit frisch gekneippten Füßen waren die wenigen Kilometer bis zur gotischen Kathedrale von BAZAS ein Kinderspiel. (Hier hatten die Templer schon im 12. Jahrhundert ein Hospiz gegründet.) In ihrem kühlen Halbdunkel verharrte ich länger als gewohnt, nicht nur wegen der Hitze, welche die Straßen der mittelalterlichen Stadt menschenleer gefegt hatte. Ich nahm noch einmal Abschied von Ajiz. Schon den ganzen Tag war er in meinem Herzen mitgegangen.
     

    Mittagsrast am „Lavoir“ (Waschplatz) von Praderon
     

    Kinderetappe La Réole-Saint-Martin
     
     
    Als ich aus der Kathedrale ins gleißende Sonnenlicht trat, war mein Gesicht tränenüberströmt, und ich sah anfangs gar nicht die fröhliche Hochzeitsgesellschaft, die sich in der Zwischenzeit auf dem Platz vor der Kathedrale versammelt hatte. Keiner nahm Notiz vom verschwitzten, bärtigen Pilger, der an ihnen vorbei stadtauswärts ging. Bis zur Umfahrungsstraße angenehmes Gehen, zum zweiten Mal auf der Trasse einer aufgelassenen Eisenbahn, dann höllische fünf Kilometer auf der Nationale, auf der - Samstagnachmittag, Wochenendbeginn, die Lemminge sind los! - ein Wahnsinnsverkehr herrschte. (In der Broschüre kein Wort davon, im Gegenteil, sie erweckte den Anschein, als verliefe der Weg etwas abseits der Straße, parallel zu ihr.)
    In CUDOS, wo ich den Bus zurück in Richtung LA RÉOLE nehmen wollte, damit Jean-Jacques nicht den ganzen weiten Weg fahren musste, eine letzte böse Überraschung. Der Bus fuhr nicht ins Dorf, sondern hielt nur draußen an der Nationale, einen Kilometer entfernt. Da kam ich gerade her... Also musste ich doch Jean-Jacques anrufen. Die Wartezeit überbrückte ich im Bistro mit einem Pastis, dem ersten auf meiner Pilgerreise. Wann, wenn nicht zur Feier eines guten Endes? Ich durfte ihn übrigens nicht bezahlen, die Wirtin sagte, so halte sie es mit Pilgern an heißen Tagen. Abendessen mit Jean-Jacques und Marie-Noelle bei endlosen, tiefschürfenden, gescheiten Gesprächen über den Jakobsweg, die Kelten, die Iren, die bretonische Kirche und noch viel mehr, bis spät in die Nacht hinein. Da hatten sich zwei gefunden...
    Am Sonntag - Jakobitag! - Messe in der

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