Auch Schmetterlinge können weinen (Der romantische Heftroman für den Kindle) (German Edition)
nachdem er telefoniert hatte. Er war ein wortkarger Mensch, der sich nicht viel aus Höflichkeit machte. Die Leute in dieser Gegend nahmen ihn so an, wie er war, denn als Arzt konnten sie sich keinen besseren wünschen.
Als Tamara hinaus getragen wurde, stand Wera Weichel an der Tür und hielt sich ein Taschentuch vor den Mund. Ihr gutmütiges Gesicht war tränenüberströmt. »Passen Sie gut auf unsere Kleine auf, Karen«, sagte sie immer wieder schluchzend.
Karen konnte nur nicken. Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Sie hatte ihren Arm unter den Werners geschoben, der es dankbar geschehen ließ.
Das Gespräch hatten beide vergessen. Nun zählte nur noch Tamara.
***
Die Nacht schien eine Ewigkeit zu dauern. Nur zögernd sprang der Zeiger der großen Uhr über der Tür von einem Strich zum anderen, und nur das leise, schabende Geräusch des Uhrwerks unterbrach die beinahe unerträgliche Stille des Wartezimmers.
Karen lief ständig unruhig auf und ab, um sich zwischendurch seufzend auf einen der vielen Stühle zu setzen. Sie konnte das Warten beinahe nicht mehr ertragen. Erst jetzt wußte sie, wie lieb sie Tamara in den letzten Wochen gewonnen hatte, jetzt, da sie das Kind vielleicht verlieren würde. Aber diesen Gedanken schob sie entsetzt wieder von sich.
Mit Gehirnhautentzündung ist nicht zu spaßen, hatte der Arzt vorher sorgenvoll erklärt, dann jedoch gleich wieder abgeschwächt, als er ihr Erschrecken bemerkt hatte. »Wir haben heute schon sehr gute Mittel, um diese Krankheit zu bekämpfen. Bitte, sorgen Sie sich nicht übermäßig. «
»Dürfen wir zu ihr? «
Werners Frage kam völlig überraschend, denn er hatte bisher geschwiegen. Nur an seinem bleichen
Gesicht konnte Karen erkennen, wie sehr die Angst um seine kleine Tochter ihn erfüllte.
»Jetzt nicht. Es tut mir leid, Herr Bostel. Tamara liegt auf der Intensivstation. Sie würde Sie ohnehin nicht erkennen, weil sie hohes Fieber hat. Bitte, gedulden Sie sich noch. Vielleicht sollten Sie nach Hause gehen. Hier können Sie nichts tun. Wir werden Sie verständigen, wenn eine Änderung eintritt. «
Mit dieser Erklärung musste Werner sich abfinden. Er tat es mit schwerem Herzen, jedoch ohne Widerspruch. Immer wieder fuhr er mit beiden Händen durch sein Haar, eine Gebärde ohnmächtiger Verzweiflung, die Karen in der Seele wehtat.
»Ich kann nicht nach Hause fahren, während Tamy hier mit dem Tod ringt«, kam es gequält über seine Lippen.
Karen wandte sich erschrocken um. Sie hatte die Anwesenheit des Mannes ganz vergessen. »Es war ja auch nur ein Vorschlag des Arztes, den wir nicht befolgen müssen«, versuchte sie, ihn zu beruhigen. »Natürlich bleiben wir hier. Ich könnte jetzt auch nicht gehen, solange es ihr so schlecht geht, Vielleicht wacht sie später auf und braucht uns. Dann wird es gut sein, wenn wir da sind. «
»Haben Sie Hoffnung, dass Tamara wieder gesund wird? « Werners blinde Augen schienen auf Karens Gesicht zu starren, obwohl er sie ja gar nicht sehen konnte.
»Bestimmt wird sie das. Die Ärzte haben heute schon ganz tolle Möglichkeiten …« Karen brach ab. Wie banal ihr plötzlich ihre Worte erschienen, die doch eigentlich trösten sollten.
»Was würde ich nur ohne Sie tun, Karen. Seit ich blind bin, fühle ich mich so hilflos und als ständige Belastung für andere. Oh, wenn ich doch nur sehen könnte.« In ohnmächtiger Verzweiflung ballte Werner Bostel die Hände zu Fäusten und schlug damit an die Wand. »Ich fühle mich wie ein Löwe, der zeit seines Lebens in Freiheit war und plötzlich hinter Gittern leben muss. Können Sie das verstehen? « Der Mann legte seine Hände an die kühle Wand und barg dann das Gesicht darin.
Am liebsten hätte Karen ihm einen Arm um die Schultern gelegt, um ihn zu trösten, doch das getraute sie sich nicht. Womöglich wies er sie dann zurück und schickte sie fort. Das wollte sie nicht riskieren, denn sie fühlte, dass er sie in diesen Stunden mehr brauchte als jemals zuvor. »Soll ich für uns einen Kaffee besorgen? Ich erinnere mich, vorhin einen Automaten neben dem Schwesternzimmer gesehen zu haben, « schlug sie hastig vor.
Werner drehte sich langsam um. Sein Gesicht war grau vor Angst und Kummer, und um seine Mundwinkel zuckte es. Es dauerte eine ganze Weile, bis er antworten konnte. »Ich glaube, ich würde nichts hinunter bekommen«, gestand er und setzte sich. Der Gefühlsausbruch war überwunden, er schien sich wieder in sein Schicksal zu ergeben.
»Damals,
Weitere Kostenlose Bücher